Brandzeichen
feuchten, teigigen Masse seines Gesichts zu versinken.
»Jimmy? Oh, nicht Jimmy. Wirklich nicht!«
»Ihr Junge ist tot«, fuhr Vince beharrlich fort.
»Ich hab' ihm das Gehirn aus dem Schädel geblasen.« Bei der Erwähnung seines Sohnes brach Hudston zusammen. Er vergoß keine Tränen, fing nicht an zu jammern nichts, was so dramatisch gewesen wäre. Seine Augen waren plötzlich tot, verloren schlagartig jeden Glanz. Ein Licht, das plötzlich ausging. Er starrte Vince an, aber in diesem Blick waren kein Zorn mehr, keine Furcht.
»Sie haben jetzt die Wahl«, sagte Vince.
»Sie können leicht sterben oder auf die harte Tour. Sie sagen mir, was ich wissen möchte, und ich lasse Sie leicht sterben, schnell und schmerz los. Wenn Sie stur sind, kann ich es auf fünf oder sechs Stunden ausdehnen.« Dr. Hudston starrte nur. Abgesehen von den hellroten Streifen frischen Blutes auf seinem Gesicht war er sehr weiß, naß und von unnatürlicher Blässe, wie irgendein Wesen, das seit ewigen Zeiten in den tiefsten Tiefen der See zu Hause ist. Vince hoffte, der Bursche sei nicht in Katatonie verfallen.
»Was ich wissen will, ist, was Sie mit Davis Weatherby und Elisabeth Yarbeck gemeinsam haben.« Hudston blinzelte, sein Blick kehrte zurück. Seine Stimme war heiser und brüchig.
»Davis und Liz? Wovon reden Sie?«
»Sie kennen sie?« Hudston nickte.
»Wie kennen Sie sie? Sind Sie zusammen zur Schule gegangen? Waren Sie einmal Nachbarn?« Hudston schüttelte den Kopf und sagte:
»Wir... wir haben früher einmal bei Banodyne zusammengearbeitet.«
»Banodyne - was ist das?«
»Die Banodyne-Labors.«
»Wo ist das?«
»Hier in Orange County«, sagte Hudston und nannte eine Adresse in Irvine.
»Was haben Sie dort gemacht?«
»Forschungsarbeiten. Aber ich bin vor zehn Monaten weggegangen. Weatherby und Yarbeck sind immer noch dort, ich nicht mehr.«
»Was für Forschungsarbeiten?« fragte Vince Hudston zögerte. Vince sagte:
»Schnell und schmerzlos - oder qualvoll und häßlich?« Der Arzt berichtete ihm von den Forschungsarbeiten, mit denen er bei Banodyne befaßt gewesen war. Das Francis-Projekt. Die Experimente. Die Hunde. Die Geschichte war unglaublich. Vince ließ Hudston einige Einzelheiten drei- oder viermal wiederholen, ehe er endlich überzeugt war, daß die Geschichte der Wahrheit entsprach. Als Vince sicher war, alles aus dem Mann herausgequetscht zu haben, schoß er Hudston ins Gesicht, direkt und aus nächster Nähe: der schnelle Tod, den er versprochen hatte. Sssnappp.
Als er wieder in seinem Lieferwagen saß und die nachtdunklen Laguna-Hügel hinunterfuhr, das Hudston-Haus hinter sich zurücklassend, dachte Vince über den gefährlichen Schritt nach, den er getan hatte. Gewöhnlich wußte er nichts über seine Zielobjekte; so war das für ihn und seine Auftraggeber am sichersten. Gewöhnlich wollte er nicht wissen, was die armen Teufel getan hatten, um solchen Kummer auf sich zu häufen, weil dieses Wissen ihm Kummer machen würde. Aber das hier war keine gewöhnliche Sache. Er war dafür bezahlt worden, drei Doktoren zu töten - nicht etwa Ärzte, wie sich jetzt herausstellte, sondern Wissenschaftler -, alles angesehene Bürger, und mit ihnen alle Familienmitglieder, die zufällig anwesend waren. Außergewöhnlich. Die Zeitungen von morgen würden nicht genug Raum haben, um alles zu bringen. Etwas Großes war hier im Gange, etwas so Bedeutsames, daß ihm damit vielleicht eine einmalige Chance in die Hand gegeben war: eine Chance auf so viel Geld, daß er beim Zählen Hilfe brauchen würde. An das Geld würde er kommen, wenn er das verbotene Wissen verkaufte, das er Hudston abgepreßt hatte ... falls er rausfand, wer es kaufen wollte. Aber Wissen war nicht nur verkäuflich, es war auch gefährlich. Man brauchte ja nur Adam zu fragen. Oder Eva. Wenn seine jetzigen Auftraggeber, die Dame mit der sinnlichen Stimme und die anderen Leute in L.A., erfuhren, daß er gegen die fundamentalste Regel seines Handwerks verstoßen hatte, wenn sie wüßten, daß er eines seiner Opfer verhört hatte, ehe er es erledigte, würden sie einen Kontrakt mit Vince als Zielobjekt schließen. Und der Jäger würde zum Gejagten werden. In bezug auf das Sterben machte er sich natürlich keine großen Sorgen. Er hatte zu viel Leben in sich gespeichert. Das Leben anderer Leute. Mehr Leben als zehn Katzen. Er würde ewig leben. Dessen war er ziemlich sicher. Aber... nun, er wußte nicht genau, wie viele Leben er in sich aufnehmen
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