Brandzeichen
paar Zweigen, die leicht im sanften Wind schwankten. Er beobachtete die Waldszene einige Minuten lang. Da er nichts Außergewöhnliches sah oder hörte, kam er zu dem Schluß, das Tier sei weitergezogen. Beträchtlich erleichtert und mit einem erneuten Gefühl der Verlegenheit, schickte er sich an, vom Fenster wegzugehen - da entdeckte er in der Nähe des Jeeps eine Bewegung. Er kniff die Augen zusammen, sah nichts und blieb ein oder zwei Minuten lang wachsam. Gerade als er zu dem Schluß kam, er habe sich die Bewegung eingebildet, sah er sie wieder; etwas, das hinter dem Jeep hervorkam. Er beugte sich näher ans Fenster. Etwas rannte quer über den Hof in Richtung Hütte, schnell und flach am Boden. Das Mondlicht, statt zu enthüllen, wer der Feind war, ließ seine Konturen zerfließen und machte ihn nur noch rätselhafter. Das Ding raste auf die Hütte zu. Und dann ganz plötzlich - Herrgott im Himmel! - befand sich das Geschöpf in der Luft, etwas Fremdartiges das geradenwegs durch die Dunkelheit auf ihn zugeflogen kam Wes schrie auf. Im nächsten Augenblick explodierte das große Fenster beim Aufprall der Bestie, und Wes brüllte, aber das Brüllen dauerte nur Augenblicke.
Weil Travis nicht viel zu Trinken pflegte, reichten drei Biere aus, um ihn vor Schlaflosigkeit zu bewahren Sekunden nachdem er den Kopf auf das Kissen gelegt hatte war er eingeschlafen. Er träumte, er sei Stallmeister in einem Zirkus, in dem alle auftretenden Tiere sprechen konnten. Nach jeder Vorstellung besuchte er sie in ihren Käfigen, wo jedes Tier ihm ein Geheimnis verriet, das ihn in Erstaunen setzte, obwohl er es gleich wieder vergaß, sobald er zum nächsten Käfig und dem nächsten Geheimnis weiterging. Um vier Uhr morgens wachte er auf und sah Einstein am Schlafzimmerfenster. Der Hund stand, die Vorderpfoten auf dem Fensterbrett, die Konturen des Kopfes vom Mondlicht nachgezeichnet, und starrte wachsam in die Nacht hinaus.
»Was ist denn. Junge?« fragte Travis. Einstein warf ihm einen Blick zu und wandte dann seine Aufmerksamkeit wieder der vom Mondlicht überfluteten Nacht zu. Er winselte leise und stellte die Ohren auf.
»Jemand draußen?« fragte Travis, stieg aus dem Bett und schlüpfte in seine Jeans. Der Hund ließ sich auf alle viere fallen und rannte aus dem Schlafzimmer. Travis fand ihn an einem anderen Fenster im abgedunkelten Wohnzimmer, jetzt auf dieser Seite des Hauses die Nacht prüfend. Neben dem Hund in die Hocke gehend, legte er ihm eine Hand auf den breiten, pelzigen Rücken und sagte:
»Was ist denn los? Hm?« Einstein preßte die Schna uze gegen das Glas und wimmerte unruhig. Travis konnte weder auf dem Rasen vor dem Haus noch auf der Straße etwas Bedrohliches sehen. Dann kam ihm plötzlich der Gedanke, und er sagte:
»Machst du dir immer noch Sorgen über das, was dich heute morgen im Wald gejagt hat?« Der Hund schaute ihn ernst an.
»Was war das dort im Wald?« wollte Travis wissen. Einstein winselte erneut und zitterte. Bei der Erinnerung an die blanke Angst, die den Retriever - und auch ihn selbst - in den Santa-Ana-Vorbergen befallen hatte, und an das unheimliche Gefühl, daß da etwas Unnatürliches sie beschlich, fröstelte Travis. Er blickte in die Nacht hinaus. Die spitzen schwarzen Muster der Blätter der Dattelpalme stachen ins fahlgelbe Licht der Straßenlampe. Ein steter Wind jagte kleine Staubwirbel, Blätter und Unrat über das Pflaster, ließ sie sekundenlang fallen, daß sie wie tot liegenblieben, und erweckte sie dann aufs neue zum Leben. Eine einsame Motte prallte vor Travis und Einstein leise gegen das Fenster, offenbar den Widerschein des Mondes oder der Straßenlampe für eine Flamme haltend.
»Hast du Angst, daß es noch immer hinter dir her ist?« fragte er. Der Hund wuffte einmal leise.
»Nun, ich denke nicht«, sagte Travis.
»Ich glaube, du begreifst nicht ganz, um wieviel weiter im Norden wir sind. Wir bewegten uns auf Rädern, dieses Ding aber hätte zu Fuß folgen müssen, und das schaffte es nicht. Was es auch war, es ist weit hinter uns, Einstein, weit unten im Orange County, und kann nicht wissen, wohin wir gegangen sind. Du brauchst dir seinetwegen keine Sorgen mehr zu machen. Verstehst du?« Einstein stieß Travis' Hand an und leckte sie, als wäre er beruhigt und dankbar. Aber dann sah er wieder zum Fenster hinaus und gab einen kaum hörbaren wimmernden Laut von sich. Travis mußte ihm zureden, damit er wieder ins Schlafzimmer zurückkehrte. Dort wollte der Hund
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