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Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Titel: Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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noch Lust noch Gelegenheit. Also morgen kommst du mit mir nach Hause, direkt nach der zweiten Busfahrt. Du mußt eine Kleinigkeit in der Stadt essen, denn du wirst es ja nicht schaffen, in der Zwischenzeit nach Hause zu fahren.“
    „In Ordnung“, sagte ich.
    Am Abend wusch ich mein Haar und bügelte die Bluse von der Friesentracht, denn bei Pierres Mutter wollte ich so hübsch wie möglich sein. So saß ich mit meinem nassen Haar und suchte mir eine Menge Sätze heraus, Sätze, von denen ich wußte, daß ich sie am nächsten Nachmittag brauchen würde. Mein Herz schlug wie niemals zuvor in meinem Leben.
    Pierres Mutter war eine kleine, schlanke, dunkelhaarige Dame mit einem strahlenden, reizenden Lächeln. Aber sie sah viel älter aus, als sie war. Pierre hatte mir verraten, daß sie vierundvierzig Jahre alt sei, genau wie Vati. Aber wieviel jünger wirkte er!
    Vielleicht lag das am Menschenschlag. Es ist ja möglich, daß die kleinen, dunkelhaarigen Rassen früher altern als wir Nordländer. Und vielleicht hatte sie im Leben schwer arbeiten und viel durchmachen müssen.
    Sie dankte erfreut für die Blumen, die ich gebracht hatte, und ein wenig später saßen wir drei in einem gemütlichen, etwas altmodisch eingerichteten Wohnzimmer. Die Möbel sahen aus, als ob sie von den Großeltern geerbt seien, die Tischdecke auf dem Tisch war handgestickt.
    „Sprich ruhig deutsch, Britta“, sagte Pierre, „ich kann es übersetzen.“
    „Ach, ich werde mal sehen, ob ich es auf französisch schaffe“, erwiderte ich.
    Und das tat ich!
    Ich konnte mich wirklich ausdrücken. Einige Male mußte ich sagen: „Pardon, Madame“, oder „Je n’ai pas compris, Madame“, aber es ging im großen und ganzen recht gut.
    Pierre machte große Augen.
    „Nein, wie gescheit du bist“, rief er. „Es ist das erste Mal, daß ich dich französisch sprechen höre; aber du kannst es ja! Und mich hast du dauernd gezwungen, in deiner Muttersprache zu radebrechen.“
    „Wenn ich nur halb so gut im Französischen wäre, wie du im Deutschen, wäre ich überglücklich. Aber du weißt ja, daß ich jetzt wirklich Französisch lerne, und gewiß werde ich es einmal richtig können.“
    „Das wirst du auch nötig haben“, sagte er. Was er wohl damit meinte?
    Ich konnte ihn nicht mehr fragen, denn Madame Henriques kam mit dem Tee, und wir hatten einen gemütlichen Schwatz. Über Vati und mein Heim, über meine Katzenpflegekinder in Colombes und wie ich Pierre damals in den Tuileren getroffen hatte. Damit kamen wir auf ihn zu sprechen, und Madame Henriques erzählte kleine Geschichten aus seiner Kindheit, denen ich natürlich gespannt lauschte. Wenn es auf der Welt etwas gab, was mich lockte zu hören, so war es gerade über Pierre und über die Zeit, da ich ihn noch nicht gekannt hatte.
    Pierre mußte seinen Pflichten nachgehen; seine Mutter bat mich, noch ein Weilchen zu bleiben. So saßen wir, waren höflich zueinander und lernten uns kennen - wir zwei Frauen, die etwas ganz Großes gemeinsam hatten: die Liebe zu dem Mann, der jetzt gerade mit der Metro unterwegs zu seinem Job war.
    Während wir plauderten und uns gegenseitig sozusagen auf den Zahn fühlten, dachten wir dasselbe, und beide wußten, was die andere dachte:
    Wird das wohl meine Schwiegertochter?
    Sie also wird meine Schwiegermutter sein!
    „Pierre hat mir so viel von Ihnen erzählt“, sagte Madame Henriques mit ihrem schönen Lächeln. „Ich bewundere das Opfer, das Sie für Ihren Vater gebracht haben.“
    „Opfer? Ich? Was meinen Sie, Madame?“
    „Ja, war es etwa kein Opfer, ihm zu verschweigen, daß Sie ganz allein in Colombes saßen, und ihm dadurch die Möglichkeit gaben, seine Arbeit zu vollenden? Und daß Sie sich die ganze Zeit allein durchgekämpft haben?“
    Da mußte ich lachen.
    „Ach, Madame, ich empfinde das gar nicht als ein Opfer. Es ist die schönste Zeit meines Lebens gewesen! Und bedenken Sie: Hätte ich anders gehandelt, hätte ich Pierre nicht kennengelernt!“
    Nun sah sie mich mit guten und liebevollen Augen an.
    „Kleines Mädchen“, sagte sie, „ich glaube beinahe, daß Sie meinen Jungen ein klein bißchen liebhaben!“
    Mir schoß die Röte ins Gesicht!
    „Nein, Madame“, sagte ich, „nicht ein bißchen, ich habe ihn sehr lieb!“
    „Und er Sie. Aber Kinder, ihr seid ja noch so jung.“
    „Ja, das wissen wir selbst, deshalb sind wir ja auch noch nicht verlobt.“
    „Aber wenn ihr euch verlobt, so werde ich Sie mit viel Liebe aufnehmen“,

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