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Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Titel: Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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eigentlich nur eine Orientierung. Erst beim nächsten Mal fängt man mit den Einzelheiten an. Man braucht viele, viele Tage für Versailles.“
    Wir verließen das Schloß und kamen in den märchenhaften Park, ich blieb einen Augenblick auf der Treppe stehen. An diese Treppe erinnerte ich mich vom Film her. Diese Treppe, über die Könige und Königinnen und weltberühmte Staatsmänner geschritten waren! Namen aus der Weltgeschichte, Menschen, die im Glanz gelebt hatten und auf dem Schafott gestorben waren, Menschen, deren Namen man nie vergessen wird.
    Auf ihrer Treppe durfte ich jetzt stehen. Ich, die kleine Britta vom Seehundsrücken. In einem billigen Sommerkleid vom Geschäft daheim, in ausgetretenen Sandalen und mit einer großen Tüte voller Pfannkuchen im Arm.
    „Bist du imstande, zwei bis drei Kilometer zu gehen?“ fragte Pierre.
    „Zwei bis drei? Ich kann zwanzig gehen, wenn du willst.“
    „Nein, ganz so weit ist es nicht, aber ich dachte, daß wir zu den beiden kleinen Trianonschlössern oder Pavillons gehen könnten.“ „Einer der beiden wurde doch für die königlichen - äh -Freundinnen gebaut“, sagte ich.
    „Ja, genau, die äh - Freundinnen“, lachte Pierre. „Kannst du dir etwas Unpraktischeres vorstellen, als sie so weit entfernt vom Schloß unterzubringen? Und das in einer Zeit, wo es keine Autos gab! Es war ja ein reiner Tagesausflug für den König, wenn er ein Schäferstündchen mit seiner äh - Freundin haben wollte.“
    „In der Gegenwart ist es leichter“, sagte ich. „Zum Beispiel für einen Flieger! Wenn er auch in Bremen wohnt, kann er leicht eine Freundin in München haben und fix zu ihr fliegen, um Tee zu trinken. - “
    „Näher ist es nach dem Seehundsrücken“, sagte Pierre. -Ich hatte so viel Schönes in Paris gesehen und sah noch viel mehr. Aber wenn ich zurückdenke, glaube ich fast, daß der Park von Versailles das Allerschönste war.
    Ich genoß jeden Schritt, den wir gingen, freute mich über jede Skulptur und jede Blume. Ich mußte an meinen alten Clochard von der Metrostation denken und erzählte Pierre von ihm und von seiner Lebensphilosophie.
    „Er scheint klug zu sein, dieser Freund von dir“, sagte Pierre. „Ich hätte Lust, ihn kennenzulernen.“
    „Wir könnten ja mal nach ihm schauen“, sagte ich. „Ich will ihn unter allen Umständen treffen, weil ich ihm ein Geschenk geben will.“
    „Was denn? Eine Tüte Kastanien?“
    „Nein, eine Flasche Champagner.“
    „Eine Flasche - bei dir piept’s wohl?“
    „Gar nicht, aber weißt du, was er zu mir sagte? Ernannte mich einen Sonnenstrahl, der in der Unterwelt scheint, und ich sollte nicht Kastanien essen, sondern Nachtigallenzungen, und Champagner trinken. Denk mal, wenn mein Clochard wirklich Champagner trinken könnte! Nachtigallenzungen werde ich ihm schwer verschaffen können. Im übrigen sehe ich rot, wenn ich höre, daß Leute Singvögel fangen und essen - aber ich habe allergrößte Lust, ihm eine ganze Flasche Champagner in den Arm zu drücken!“
    „Britta, du bist ein herrliches Menschenkind! Wie ich dich verstehe! Wenn du diese Expedition während meiner knapp zugemessenen zwei freien Stunden am Nachmittag machen könntest, würde ich gern mitkommen.“
    „Und wenn wir ihn nicht treffen?“
    „Dann trinken wir den Champagner selber. Ach, Britta, du bist doch deines Vaters echte Tochter. Nach allem, was du von ihm erzählt hast, könnte er genauso etwas tun, etwas so Verrücktes und Bezauberndes. Ich drücke den Daumen, daß wir den Clochard treffen.“
    „Aber zurück zu seiner Philosophie“, sagte ich. „Können wir mit dieser Einstellung durch den Park gehen, dann sind wir es, denen jede Blume, jeder Baum und jede Skulptur gehört. Gleich werden wir den großen und den kleinen Trianon besitzen. Und vorhin ging ich da und besaß die Spiegelgalerie. Warum starrst du mich so an, habe ich Ruß auf der Nase?“
    „Nein“, sagte Pierre, „ich sehe dich an und denke an deinen Clochard. Ich stehe hier, und besitze dich!“
    Die Röte schoß mir wie eine Welle ins Gesicht. Ich senkte den Kopf und schwieg. In mir strahlte und leuchtete das Glück. Nie hatte ich so etwas Schönes wie diesen Augenblick erlebt!
    Durch Grand Trianon wurden wir mit einer Reihe amerikanischer Touristen geführt, wir gingen hinterher, ließen sie in den Petit Trianon gehen und gingen erst hinein, als sie wieder draußen waren.
    „Jetzt ist keine Führung“, sagte der Kontrolleur. „Aber wenn Sie allein

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