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Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss

Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss

Titel: Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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erzählt. Und jetzt werde ich euch berichten. Sie hat mir ausdrücklich ihre Erlaubnis gegeben.«
    »Ich kann bloß nicht verstehen, warum sie nicht mit uns.«, begann Bernadette.
    »Verstehen Sie das nicht?« fragte Frank Liethbach. »Wissen Sie, Marion brauchte jemanden, der - ja, was soll ich sagen -, der ganz nüchtern zuhören konnte, der weder Sympathie noch Antipathie empfand.«
    »Und der sich außerdem mit den Gesetzen auskennt«, ergänzte Ellen. »Wißt ihr, ich bin diejenige hier im Haus, mit der Marion eigentlich am wenigsten zu tun gehabt hat. Gerade deswegen konnte ich jetzt helfen. Und jetzt bitte ich euch zuzuhören. Ich habe viel zu erzählen und möchte nicht unterbrochen werden.«
    Bernadette ging zum Fenster und vergewisserte sich, daß Lillepus und Inkens kleine Schwester Merve in aller Ruhe und Eintracht mit dem Tretauto im Garten spielten. Dann setzte sie sich hin. Alle Augen waren auf Ellen gerichtet.
    Sie lehnte sich einen Augenblick im Sessel zurück und schloß die Augen. Dann richtete sie sich wieder auf und begann zu sprechen: »Es war einmal ein kleines Mädchen, das Marion hieß. Sie war Waise und wohnte bei einem sehr prächtigen Onkel und einer sehr prächtigen Tante. In diesem Haus ging alles nach der Uhr, alles wie am Schnürchen. Die kleine Marion war ein aufgewecktes, lebhaftes Kind mit viel Phantasie und einem unbezähmbaren Unternehmungsgeist. Leider verstanden der Onkel und die Tante wenig von Kindern. Marions Phantasien nannten sie Lügen und bestraften sie dafür. Wenn Marion etwas unternehmen wollte, wurde es verhindert. Sie hatte geschickte Finger, sie wollte nähen. >Daß du mir die Nähmaschine nicht anrührst!< sagte die Tante. Sie wollte in der Küche helfen. >Kinder haben nichts in der Küche zu suchen. Das Kochen besorge ich!< sagte die Tante. So war es immer. Das Kind lernte schließlich, lieber nicht zu fragen.
    Sie fing an, hinter dem Rücken der Pflegeeltern zu handeln, und sie machte tolle Sachen. Unter ihren Schulfreundinnen wurde ihr Mut sprichwörtlich. Niemand wagte beim Schwimmen solche Kopfsprünge wie Marion, niemand war beim Turnunterricht so waghalsig. Und niemand machte so verwegene Streiche wie sie. Sie stahl Süßigkeiten zu Hause; es war ihr ein Nervenkitzel, sie fand es wunderbar, wenn es klappte. Auf diese Weise suchte sie einen Ausgleich für das, was ihr vorenthalten wurde. Der Schritt von den Süßigkeiten bis zur Geldbörse war nicht weit, bald stahl sie Groschen aus der Handtasche ihrer Tante, anfangs aus Sport, später entdeckte sie, daß es eine spannende Art war, zu Geld zu kommen. Einmal wurde sie ertappt und bekam fürchterliche Schläge. Das machte sie noch trotziger und waghalsiger.
    In ihrem Herzen gab es einen sehr weichen Punkt: Sie liebte Tiere. Sie besuchte dauernd jene Schulfreundinnen, die einen Hund oder eine Katze hatten. Sie stahl Geld für Eintrittskarten in den Zoo. Ab und zu ging sie auch mit den Pflegeeltern hin, im Sonntagsputz und unter tausend Ermahnungen: >Mach dich nicht schmutzig!< ->Vorsicht mit dem feinen Kleid!< Und dann wurde sie mitgeschleppt durch den Zoo, weitergeschleppt, sobald sie vor einem Gehege stehenblieb. Wenn es ihr gelungen war, den Blick eines Tieres zu fangen, Kontakt zwischen sich und dem schönen Geschöpf zu bekommen - zerrte eine Hand sie weiter.
    Die kleine Marion war unsagbar einsam und - unsagbar trotzig. Ihr Haß den Pflegeeltern gegenüber erstreckte sich bald auf alle Erwachsenen. Jetzt machte es ihr Spaß, >krumme Dinge zu drehen<, es machte ihr Spaß, die Erwachsenen zu ärgern, ihnen Schaden zuzufügen. Sie hatte eine Lehrerin, die eine Bekannte der Tante war und mit dieser sozusagen zusammenarbeitete. Aus der Tasche dieser Lehrerin stahl sie einen Fünfzigmarkschein. Sie wurde ertappt und flog aus der Schule.
    Marion war nun in ein Stadium gekommen, das gefährlicher war als alles andere: das Stadium der Gleichgültigkeit. Wie oft hat sie auch hier gesagt: >Es ist mir piepe!< - >Es ist mir schnuppe!< - >Es ist mir schnurzegal.< Dinge, deretwegen sie sich eigentlich hätte schämen müssen, brachten nur ein kaltes, spöttisches Lächeln auf ihr Gesicht. Sie wurde von einer Freundin in einen Jazzkeller mitgenommen. Das war etwas für Marion! Die heißen Rhythmen, die laute Musik, das ungehemmte Tanzen! Sie lernte Jungen kennen, Jungen, die sie zu Boxkämpfen mitnahmen, zu Pferderennen, zu allem, was spannend war.
    Sie war sechzehn Jahre alt, und sie verliebte sich in einen der Jungen.

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