Braut wider Willen
»Ja, aber es geschahen schlimme Dinge. Erst die Sache mit dem Kind und dann die Viehseuche drüben in Shipley«
»Was hat das mit Meg zu tun?«
Ben zuckte die Schultern. »Jemand sah sie bei Mondschein über Feld und Flur gehen. Am nächsten Tag wurde das Vieh krank.«
»Ach, du müsstest es besser wissen und nicht solche Märchen verbreiten!«
»Tja, der Hexenjäger wird die Wahrheit schon aufdecken«, meinte Ben.
Phoebe spürte, wie ihr das Blut aus den Wangen wich. »Man hat nach ihm geschickt?«
Ben zuckte erneut die Schultern. »Davon weiß ich nichts. Aber er soll drüben in Banbury sein.«
Phoebe hatte genug gehört. Banbury lag nur fünfzehn Meilen entfernt. »Man wird sehen, was Lord Granville zu dieser Dummheit zu sagen hat.«
»Entschuldigung, Lady Phoebe, der Vikar muss sich in Dingen, die sein Amt betreffen, nicht Seiner Lordschaft beugen.« Bens Ton war schroff und trotzig. So hatte Phoebe ihn noch nie gehört. Ihr Unbehagen wuchs.
»Man wird sehen«, sagte sie und machte kehrt, um zu Granny Spruel zu gehen, wo sie eine zweite Meinung zu hören hoffte.
Es war fast dunkel, obwohl es erst vier Uhr war, und der schneeträchtige Himmel hing so tief, als drückte er auf die Erde herunter. Sie eilte den Weg zum Gutshaus entlang und zuckte jedes Mal zusammen, wenn ein Zweig knackte oder ein Tier in den Hecken raschelte.
Es war fast ganz dunkel, als sie das Gutstor passierte. Ihr Besuch bei Granny Spruel hatte länger gedauert, als geplant, und hatte sie nicht beruhigt. Unter den kahlen überhängenden Asten der Eichen, die die lange, gebogene Auffahrt säumten, fing sie zu laufen an.
Zu dieser dunklen, einsamen Stunde wirkten die Baumkronen wie ein finsteres Gewölbe, da die Biegung am Ende der Auffahrt die Lichter des Hauses verbarg.
In ihrem dunklen Umhang hob Phoebe sich kaum von ihrer Umgebung ab, sodass Cato, Brian und Giles sie um ein Haar niedergetrampelt hätten, als sie im schnellen Galopp dahersprengten. Sie waren so rasch, dass Phoebe sie erst im letzten Moment bemerkte und mit einem Angstschrei seitwärts den Hufen auswich.
»Heilige Mutter Gottes!« Cato zügelte sein Pferd. »Wer ist denn das?« Er starrte von seinem Braunen hinunter. »Wer hat zu dieser Stunde und bei diesem Wetter hier etwas zu suchen?«
»Ich bin es«, sagte Phoebe und trat aus der Dunkelheit. »Ihr habt mich fast überrannt.«
»Zum Teufel, was treibst du hier?«, wollte Cato wissen. »Man kann dich in der Finsternis kaum sehen.«
»Ich merkte gar nicht, dass es schon so spät ist«, erklärte Phoebe. »Es wurde so rasch dunkel.«
»Ja, es ist stockfinster und dabei kaum fünf Uhr«, gab Giles ihr Recht. Er starrte in die Dunkelheit und sog die Luft tief ein. »Es gibt wieder Schnee, denke ich.«
Cato beugte sich vor und streckte Phoebe seine Hand entgegen. »Komm«, forderte er sie auf.
Phoebe widersprach nicht. Ihr Mann schien im Moment alles andere als erfreut, sie zu sehen. Sie ergriff seine Hand und bemühte sich, ihren Fuß auf seinen Stiefel im Steigbügel zu stellen. Er zog sie in den Sattel vor sich und umfing sie leicht mit seinen Armen, als er seinem Pferd die Sporen gab.
Phoebe lehnte sich an ihn und nutzte die Gelegenheit, seinen Herzschlag unter Mantel und Wams, die nach Pferd und Leder rochen, zu fühlen und den an Zitrone erinnernden Duft von Haut und Haar einzuatmen. Sie wandte den Kopf und schenkte ihm ein sonniges Lächeln, als sie eine Hand ausstreckte und seine Wange in einer Geste köstlich unbewusster Intimität streichelte.
Das Lächeln und die Berührung hatten etwas unwiderstehlich Sinnliches an sich, etwas Sinnliches und
noch immer
Überraschendes. Cato warf dem neben ihm reitenden Brian Morse einen Seitenblick zu. Es gab nur eine Überraschung, die er sich von seiner Frau wünschte. Eine freilich, die seinen Stiefsohn zur Bedeutungslosigkeit verdammen würde.
Einladendes Licht fiel aus der Haustür, als sie die Pferde zügelten. Der stets aufmerksame Bisset stand zum Empfang im Eingang bereit. Cato saß ab und überließ Giles seine Zügel, ehe er Phoebe aus dem Sattel hob.
»Um diese Tageszeit unbegleitet aus dem Haus zu gehen ist sehr unbedacht«, schalt er sie, als er sie, die Hand in ihrem Rücken, ins Haus drängte.
»Als wir gingen, war es mitten am Nachmittag«, protestierte sie. »So lange wollte ich gar nicht ausbleiben. Es gibt etwas, das ich mit Euch besprechen möchte.«
Cato runzelte die Stirn. »Dann komm!«, sagte er knapp und strebte seinem Arbeitszimmer
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