Bravo, liebes Hausgespenst!
ausgestrecktem Zeigefinger auf das Gebilde, das haargenau dem ersten Fratzenschneider glich. „Da! Da! So sehen Sie doch!“
„Was ist?“ Frau Schmidt hob, ein wenig unwillig, den Kopf. Aber ehe sie den Fratzenschneider noch in Augenschein nehmen konnte, war er wieder in eine glatte Kugel verwandelt worden.
„Du solltest den Ton doch in den Eimer geben“, sagte sie, immer noch gelassen.
„Nein, nein! Ich fasse den nicht mehr an! Jetzt will ich Ihnen mal was sagen, Frau Schmidt... mit Ihrem Ton, da s-timmt was nicht!“
„Unsinn, mit dem ist alles in Ordnung!“
„Aber die Kugel hat sich vor meinen Augen in eine Fratze verwandelt. Ich hab’s doch gesehen!“
Jetzt war Frau Schmidt doch beunruhigt. „Bist du sicher, daß du kein Fieber hast? Deine Phantasie muß dir einen Streich gespielt haben!“
„Bes-timmt nicht!“
In diesem Augenblick kam Monika herein. Sie hatte Norberts Schlitten vor dem Haus gesehen und war gar nicht überrascht, ihn in der Töpferwerkstatt zu finden.
„Monika, endlich! Bitte, komm, sieh dir das an!“ Er faßte sie bei der Hand und zog sie zum Tisch.
„Hört mal, solltet ihr nicht das Tageslicht nutzen und Schlitten fahren gehen?“ mischte Frau Schmidt sich hastig ein. „Rasch, hinaus mit euch!“
„Nein, nein, erst muß ich Monika zeigen...“
„Was ist denn passiert?“ erkundigte sich Monika.
„Nichts, gar nichts!“ behauptete Frau Schmidt. „Er hat sich irgend etwas ganz Dummes eingebildet. Seht zu, daß ihr...“
„Ich hab mir nichts eingebildet, bes-timmt nicht!“ widersprach Norbert. „Deshalb will ich es doch Monika zeigen... du mußt mein Zeuge sein, Monika!“
Monika ahnte, daß Amadeus wieder einmal sein Unwesen trieb. Zwar hätte sie liebend gern gesehen, was er nun wieder angestellt hatte, aber sie hielt es doch für besser, Norbert auszulachen und zu beruhigen.
„Du siehst ein bißchen komisch aus, Norbert“, behauptete sie, „fühlst du dich nicht wohl?“
„Du würdest auch aufgeregt sein, wenn du so was miterlebt hättest!“
„Komm mit an die frische Luft, da wirst du dich gleich besserfühlen!“
Norbert hielt Monika immer noch an der Hand und versuchte sie zum Tisch zu ziehen. Da sie ihn aber in die entgegengesetzte Richtung, nämlich zur Tür hin, zu ziehen versuchte, kamen sie nicht vom Fleck.
„Komm schon, komm!“ drängte sie. „Draußen kannst du mir alles erzählen!“
„Aber ich will nichts erzählen, ich will, daß du es siehst!“ Norbert lief nun wirklich rot an, und zu seinem großen Ärger traten ihm Tränen, Tränen des Zorns, in die Augen.
„Aber was gibt es hier denn schon zu sehen!“ Monika setzte ihr harmlosestes Gesicht auf. „Lauter Töpfe und Tiegel, was soll an denen denn dran sein?!“
„Wirklich wahr, Norbert“, stimmte Frau Schmidt ihr zu, „du bist doch ein netter, intelligenter Junge, also führ nicht so ein Theater auf!“
Norbert war fast schon bereit aufzugeben. Allmählich überkam ihn das Gefühl, tatsächlich ein Opfer der eigenen Phantasie geworden zu sein. Monika und ihre Mutter schienen ihn ja ernstlich für verrückt zu halten.
Da aber geschah es. Er erkannte aus der Entfernung, in der er jetzt vom Modelliertisch stand, daß an seinem Tonklumpen eine Veränderung vor sich ging. Mit einem Ruck riß er sich los.
„Da!“ schrie er. „Mein Ton! Sagt jetzt bloß nicht, daß ihr nichts seht! Dann seid ihr nämlich blind!“
Alle starrten auf die Tonkugel, deren Oberfläche in Bewegung gekommen war. In der Mitte entstand eine gebogene Nase, unten ein spitzes Kinn, die schrägen Augen kerbten sich ein, der Haaransatz zog sich tief in die Stirn, zwei spitze, enganliegende Ohren entstanden, und zum Schluß der Mund, der sich öffnete und die Zunge herausstreckte.
„Ich traue meinen Augen nicht!“ behauptete Monika, denn etwas Besseres fiel ihr nicht ein.
„Dieser Ton ist lebendig!“ rief Norbert.
„Ja, es muß etwas nicht mit ihm in Ordnung sein“, sagte Frau Schmidt lahm.
„Sollte man es für möglich halten!“ rief Monika. „Das war wirklich höchst interessant. Aber jetzt gehen wir Schlitten fahren, ja?“
„An so etwas kannst du jetzt denken?“ Norbert sah sie aus großen Augen an.
„Warum denn nicht?“ gab Monika zurück. „Ein Klumpen Ton hat sich bewegt. Na und? Was hat es für einen Sinn, den ganzen Nachmittag darauf zu starren?“
„Aber glaubst du denn an Wunder?!“
„Na ja“, Monika zuckte die Achseln, „früher soll es doch welche gegeben
Weitere Kostenlose Bücher