Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
abzureißen, falls ich den Bunker verlasse.«
»Danke!«, sagt Alina.
»Oh Mann, kann’s gar nicht erwarten, Petra kennenzulernen. Wetten, dass die mich sofort ins Herz schließt?«, bemerkt Maude.
»Was? Ihr kennt Petra überhaupt nicht?«, fragt Dorian entgeistert.
Ich schüttele den Kopf, woraufhin Dorian wie angewurzelt stehen bleibt und Alina anstarrt.
»Weiß sie denn überhaupt, dass du sie mitbringst? Gehören sie zum Widerstand? Ich dachte, sie gehören zur Sektion ›Kuppel‹. Alina?«
»Nein, sie sind ganz normale Zivilisten«, murmelt Alina.
»Wie bitte? Du hast ohne Erlaubnis Zivilisten hergebracht? Und ich hab sie reingelassen? Na großartig, da wird einem von uns ja ganz sicher der Kopf abgerissen.« Sorgenvoll reibt er sich über die Stirn.
»Wir können ihnen vertrauen.« Alina deutet auf mich. »Sie hat mir das Leben gerettet.«
»Und die andere?«
Prüfend betrachtet Alina Maude, so als würde sie abwägen, ob sie sie nicht vielleicht doch opfern soll.
»Die alte Frau, Alina. Können wir ihr auch trauen?«
»Ja«, sagt Alina langsam. »Ich denke schon.«
Dorian stößt einen langen Pfiff aus. »Na, das kann ja heiter werden! Aber jetzt sollten wir schleunigst runter in den Bunker. Gut möglich, dass noch mehr Zips rumschwärmen.«
»Nein, die sind über uns hinweggeflogen und dann verschwunden«, sagt Alina. »Lass uns die beiden doch erst mal rumführen.« Sie scheint irgendwie stolz auf den Ort zu sein.
Dorian zuckt die Achseln und wir folgen Alina den breiten betonierten Gang entlang, in den zahlreiche kleine Nischen, wahrscheinlich ehemalige Kioske, eingelassen sind.
Nichts, aber auch wirklich gar nichts hätte mich auf den Anblick vorbereiten können, der sich mir bietet, als wir um die Ecke biegen und die Arena betreten. Ich hatte eigentlich erwartet, eine riesige klaffende, zugeschneiteVertiefung zu sehen. Wir stehen auf ein paar flachen Stufen neben unzähligen Reihen von Sitzen. Es muss Tausende von Sitzplätzen in diesem Stadion geben. Tausende von roten Plastikschalensitzen, auf denen wiederum Hunderte länglicher, bunt zusammengewürfelter Kästen mit behelfsmäßigen Deckeln stehen.
»Das gibt’s doch gar nicht!«, stammele ich und starre fassungslos über die Kästen hinweg auf das ehemalige Spielfeld.
Dorian lächelt und hält mich fest, als ich mit weichen Knien nach vorne taumele. Die Fläche zwischen den beiden Toren, auf der sich früher die Spieler auf einem sorgfältig gemähten Rasen tummelten, ist bedeckt von Wald. Von schneebeladenen, hoch in den Himmel aufragenden Bäumen, die im Licht nur so funkeln.
Es müssen Hunderte sein, mehr als ich jemals gesehen habe, alle von unterschiedlicher Gestalt und Größe, manche kahl und stachelig, andere dicht belaubt.
»Bäume«, murmele ich und blinzele, um sicherzugehen, dass ich nicht träume. Aber als ich die Augen wieder öffne, stehen die Bäume immer noch da und Maude läuft bereits die Treppen runter nach unten.
»Holy shit«, schreit sie und Alina und Dorian lächeln sich an.
In meinem ganzen Leben hab ich noch nie etwas so Großartiges gesehen. Die Bäume, selbst die blattlosen, sind so wunderbar kräftig und lebendig und streben so unbeirrt nach oben, dass es auch mich nicht mehr auf meiner Treppenstufe hält. Ich will Maude hinterherlaufen, aber meine Knie knicken ein und ich falle.
»Unglaublich …«, stammele ich. Etliche der Bäume haben den oberen Rand des Stadions schon fast erreicht, über den eine Abdeckung gespannt ist, die vermutlich der Tarnung dient. »Wie? Und wann? Ich meine … wie?« Ich weiß gar nicht, wo ich mit meinen Fragen beginnen soll.
Alina zieht mich vom Boden hoch und ich lehne mich gegen einen Sitz, um das Gleichgewicht zu halten.
»Bäume«, flüstere ich. Ich habe nie zuvor gebetet. Ich weiß nicht mal, wie man das macht. Aber wenn ich es könnte, würde ich jetzt ein Gebet sprechen – zu Ehren der Bäume und der Rebellen, die diesen unglaublichen Ort erschaffen haben.
»Ganz klar: Sie ist eine von uns. Das sieht man sofort«, stellt Dorian fest.
Und in diesem Moment bemerke ich das zweite Wunder: Wir sind draußen, an der frischen Luft, und Dorian trägt keine Atemmaske. Instinktiv strecke ich meine Hand aus und taste nach seiner Brust, um zu fühlen, ob darin ein Herz schlägt oder nicht. Völlig irrational, ich weiß. Und Dorian bleibt einfach so stehen, während ich das Heben und Senken seines Brustkorbs verfolge.
»Du kannst kein Mensch sein«, flüstere
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