Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
ich, während ich mich von dem Sitz abstoße und versuche, aufrecht stehen zu bleiben.
»Doch, das ist er«, bekräftigt Alina und legt mir einen Arm um die Taille.
»Versteh ich nicht. Wie lebst du?«
»Langsam«, antwortet Dorian. »Und wenn du lange genug hierbleibst, werden wir es dir auch beibringen.«
ALINA
Als wir in Richtung Bunker gehen, wirft mir Dorian unaufhörlich fragende Blicke zu. Aber ich schüttele den Kopf und schweige. Ich habe Angst, dass Dorian schon am Klang meiner Stimme hören könnte, wie verworren alles ist. Alleine herzukommen wäre kein Problem gewesen: Schließlich hatte ich keine andere Wahl, als zu fliehen. Aber zwei Unbekannte anzuschleppen, von denen die eine auch noch für BREATHE gearbeitet hat, dafür gibt’s keine Entschuldigung. Petra ist da total strikt. Sie hat ihre Regeln. Muss sie auch haben. Wie sonst könnte sie hier für unsere Sicherheit garantieren? Wie sonst die Bäume schützen?
»Was ist passiert?«, fragt Dorian schließlich und deutet auf meinen blutverschmierten Verband. Den hatte ich komplett vergessen. Aber ich kann Dorian und den anderen hier unmöglich erzählen, was wirklich los war.
»Ist ’ne lange Geschichte«, weiche ich aus.
»Also bist du geflohen?«
»Abel ist tot«, sage ich nur.
Ich werde mich nicht selbst preisgeben. Ich werdenicht erzählen, dass Abels Tod mehr bedeutet, als dass ein Genosse im Kampf gefallen ist. Andauernd sterben irgendwelche Mitkämpfer und es gibt für diese Fälle ein strenges Trauerprotokoll. Wir versammeln uns, wir gedenken gemeinsam des Toten, wir strecken herausfordernd unsere geballten Fäuste in die Luft – eine an die Adresse des Ministeriums gerichtete Geste der Drohung –, und dann fahren wir mit unserem Alltag fort. Wir pflanzen und kultivieren weiter. Das hier ist ein Ort des Handelns. Zum Trauern bleibt keine Zeit.
»Abel? Kenne ich nicht. War der neu? Wie ist er gestorben?«
»Er war ein ›Terrorist‹. Sie haben ihn getötet, als er versuchte, die Kuppel zu zerstören. So weit die offizielle Version.«
»Wie originell. Armer Kerl.«
»Ich weiß nicht, was ich Petra erzählen soll«, gestehe ich.
»Na, sag ihr einfach die Wahrheit.«
»Das werde ich, aber bitte lass mich zuerst alleine reingehen, ja? Und während ich mit ihr rede, bleibst du mit den beiden hier? Ich werde versuchen, sie zu besänftigen, bevor ich ihr gestehe, dass ich ihr Lebenswerk in Gefahr gebracht habe.« Bittend schaue ich Dorian an. Wir wissen beide, dass er sich zum Komplizen macht, wenn er sich bereit erklärt, Maude und Bea zu verstecken, und sei es nur für ein paar Minuten. Er dreht sich zu den beiden um.
Die sind immer noch ganz benommen vor Staunen. Ich kann es ihnen nicht verdenken. Als ich die Bäumezum ersten Mal gesehen habe, war ich tagelang in einem Zustand absoluter Euphorie. Normalerweise renne ich nicht grinsend wie ein Honigkuchenpferd durch die Gegend, aber nach meinem ersten Besuch hier konnte ich nicht anders. Nachdem mir jahrelang eingetrichtert worden war, ein Leben außerhalb der Kuppel wäre unmöglich, war es absolut überwältigend zu sehen, dass es doch geht. Außerdem tröstete mich der Gedanke, dass meine Eltern nicht umsonst gestorben waren.
»Wir haben dich vermisst«, sagt Dorian plötzlich, legt einen Arm um meine Schulter und drückt mich an sich. Wir haben früher gelegentlich miteinander geflirtet, aber heute kann ich das nicht.
»Ich wünschte, ich würde euch bessere Nachrichten bringen«, sage ich. Ich muss lachen und weiß nicht, warum.
»Wann ist schon je einer unerwartet mit guten Nachrichten hier aufgekreuzt, Alina?«
In diesem Augenblick gesellt sich Bea zu uns. Sie deutet auf Dorians Mund und dann auf ihre Atemmaske.
»Wie machst du das?«, fragt sie.
»Wie wär’s, wenn ich euch erst mal das Labor zeige, wo wir die Setzlinge und Samen heranziehen? Danach erkläre ich dir das mit dem Atmen. Kommt, lasst uns gehen.«
Bea starrt mich an. »Begleitest du uns nicht?«
Ich werfe Dorian einen Blick zu. »Ich gehe erst zu Petra. Ihr kommt nach, sobald ihr mit eurer Tour fertig seid, ja? Zeig ihnen auch die Schlafkojen, Dorian, okay? Und die Duschen. Wir haben hier sogar heißes Wasser.«
»Aye, aye, Käpten!«, salutiert Dorian.
»Was ist hier los, Alina?«, fragt Bea.
»Keine Sorge. Schaut euch erst mal um«, beruhige ich sie und flitze dann den breiten Gang entlang und die Treppen hinunter.
In der unteren Etage ist es so dunkel, dass ich mich an den feuchten
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