Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
legt einen Arm um ihre Schultern und sie blickt mit einer Mischung aus Bewunderung und Angst zu ihm auf. »Auf dich hört sie. Und ich sage dir: Die Armee ist auf dem Weg hierher, und wo die aufkreuzt, gibt’s keine Überlebenden. Die werden uns auslöschen, allesamt. Aber du bist noch jung, Jazz. Du hast noch dein ganzes Leben vor dir. Erzähl Petra, was draußen passiert. Sag ihr, dass du hier wegwillst. Sie wird auf dich hören. Nur ganz wenige von uns können noch nicht frei atmen und die könnten wir schnell trainieren. Ich bin sicher, dass das geht.«
Silas blickt mich fragend an, aber ich habe keine Ahnung, wie lange wir bräuchten, um marschbereit zu sein. Ich bezweifle jedoch, dass das mit dem Atemtraining so schnell geht, wie er es sich vorstellt. Die meistenRebellen haben Jahre gebraucht, um in der Außenwelt wieder frei atmen zu können.
»Und wenn es nicht so schnell klappt, nehmen wir eben Atemgeräte mit«, schlage ich vor.
»Könnt ihr mir mal verraten, warum ich auf euch hören sollte? Ihr habt Fremde hier angeschleppt, alle beide. Ihr habt doch überhaupt keine Ahnung!«, ruft Jazz.
»Jazz.« Silas streicht ihr besänftigend über die Schulter.
»Petra hat hier das Sagen, sie trifft die Entscheidungen. Und überhaupt: Das hier ist mein Zuhause«, blafft Jazz. Was ja stimmt – es ist tatsächlich das einzige Zuhause, das sie je hatte.
»Bitte sprich mit ihr. Selbst wenn wir uns bewaffnen würden, könnten wir nicht gewinnen. Wir sind hoffnungslos in der Unterzahl, das ist völlig utopisch«, beschwört Silas sie.
»Ich gehe hier nicht weg!«, kreischt Jazz und saust aus dem Raum. Wir starren auf die Tür, die hinter ihr zuschwingt. Das Licht über uns flackert noch immer.
»Jetzt kriegen wir Stress«, vermute ich. »Wenn Petra etwas nicht leiden kann, dann, dass jemand Jazz erschreckt.«
»Ist mir egal. Jazz ist die Einzige, die Petra davon überzeugen könnte, die Bäume aufzugeben. Und wahrscheinlich schafft nicht einmal sie es.«
»Nach allem, was wir hier aufgebaut haben, willst du einfach so abhauen und zulassen, dass alles zerstört wird?«
Ich frage mich, ob ich das könnte – die Bäume aufgeben?Vielleicht stimme ich ja mit Jazz überein – vielleicht sollten wir bleiben und kämpfen.
Silas scheint meine Gedanken zu lesen. »Wir können doch nicht sehenden Auges in den Tod gehen. Das würde Mom und Dad das Herz brechen. Das kann ich ihnen nicht antun.«
Dieses Argument habe ich noch nicht bedacht. Dabei weiß ich, wie es sich anfühlt, wenn man alleine zurückbleibt.
»Okay, verstehe ich.« Ich halte inne, weil ich plötzlich an die Bemerkung denken muss, die Jazz gemacht hat. »Sag mal, was für einen Fremden hast du eigentlich mitgebracht? Ich hab nämlich auch welche angeschleppt.«
»Er heißt Quinn. Er behauptet, er habe dir das Leben gerettet. Stimmt das?«
»Was?? Quinn lebt?«
»Na ja, Petra hat ihn gleich einkassiert.« Silas wendet den Blick ab. »Keine Ahnung, was sie mit ihm vorhat.«
Er verheimlicht mir etwas, das rieche ich.
»Silas?«, bohre ich weiter.
Er senkt den Kopf. »Es ist wegen Inger«, bringt er schließlich heraus, und plötzlich ahne ich, warum Silas so traurig aussieht. Am liebsten würde ich meine Hand ausstrecken, um ihn zu trösten, aber ich weiß, dass es kein Trost wäre.
»Sie haben ihm seine Sauerstoffflasche abgenommen, und das war’s dann. Er ist … Gott, ich hätte einfach alleine aufbrechen und ihn zu Hause lassen sollen. Es ist nur, na ja, er war eben Fährtenleser … und ich wolltesichergehen, dass ich herfinde. Und dann …« Er sinkt zu Boden und vergräbt seinen Kopf zwischen den Armen.
Mein Blick wandert über die verstreuten Plastiksplitter der Schaufensterpuppe, dann hocke ich mich neben Silas. Ich weiß, was er fühlt, und ich weiß, dass es völlig egal ist, was ich jetzt sage. Ich kann ihm seinen Schmerz nicht nehmen. Und auch nicht seine Schuldgefühle. Ich habe Silas und Inger zusammen erlebt und gesehen, was sie füreinander empfanden. Inger ist tot, weil Silas ihn geliebt hat. Abel ist tot, weil ich wollte, dass er mich liebt. Ich fühle mich so sehr mit meinem Cousin verbunden. Aber was für eine traurige Verbundenheit ist das!
In diesem Augenblick wird die Tür aufgerissen und Petra stürmt herein, dicht gefolgt von Jazz. Sie wirft einen kurzen Blick auf das flackernde Licht, schnappt sich eine Pistole aus dem Regal und zerschießt die Glühbirne. Glas- und Plastiksplitter regnen von der Decke. Ich
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