Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
schließe die Augen und schüttele die kleinen Scherben aus meinen Haaren. Hätte sie die Lampe nicht einfach ausknipsen können? Silas und ich stehen auf. Seine Augen sind trocken, aber er kaut auf seiner Lippe herum.
»Mir reißt allmählich der Geduldsfaden!«, brüllt Petra.
Silas hebt eine Hand, um sie zu beschwichtigen. »Wir könnten anderswo neu anfangen.«
»Ihr seid also nicht bereit, den Hain zu verteidigen?« Für einen kurzen Moment sieht Petra nicht mehr wütend aus, sondern nur noch tieftraurig.
»Womit denn? Mit zweihundert Leuten? Wir bräuchtenPanzer. Mindestens zwanzig, nicht nur einen. Aber vor allem bräuchten wir mehr Leute.«
»Und was ist mit den Bäumen?«, fragt sie.
Jazz greift nach Petras Hand und beide blicken zu Boden. Eine Weile sagt keiner von uns ein Wort. Wir denken an die Bäume, die im Stadion wachsen, so stolz und erhaben, so wunderschön – und so verwundbar. Sie werden als Erstes sterben, weil sie die größte Bedrohung darstellen.
»Ich werde altgediente Mitglieder nicht einsperren«, bricht Petra schließlich das Schweigen. »Ihr könnt gehen, wann immer ihr wollt. Aber kein Wort davon zu den anderen. Ich will nicht, dass hier Chaos ausbricht.«
Silas nickt.
»Aber wir beide, wir werden nicht gehen, oder?« Petra blickt zu Jazz herunter, die zögernd lächelt.
»Und was ist mit Bea und Quinn? Lässt du die auch ziehen?«, frage ich.
»Wen? Den Premium und das Mädchen? Nein, natürlich nicht.« Petra wedelt abwehrend mit der Hand, so abwegig erscheint ihr offenbar die Frage.
»Denen wird’s hier gut gehen«, versucht Silas, mich zu beruhigen.
»Nein, wird es nicht. Sie haben ihr ganzes Leben in der Kuppel verbracht. Und sie haben mir das Leben gerettet. Ich kann sie nicht einfach zurücklassen.«
Petra mustert mich mit scharfem Blick: »Na, dann bleibst du eben auch. Dann bleibst du und kämpfst.«
»Dieser Premium, den ich mitgebracht habe, ist wertvoller, als du ahnst, Petra. Vielleicht könnten wir mitseiner Hilfe Zeit gewinnen – um uns zu wappnen für das, was kommt.« Nachdenklich blickt Silas zur Decke und nickt dann. »Ja, vielleicht könnten wir uns mit seiner Hilfe ein paar Wochen Aufschub verschaffen und in dieser Zeit fieberhaft rekrutieren.«
»Ich höre«, sagt Petra.
Nachdem Silas uns erklärt hat, dass Quinns Vater vermutlich der General ist, der Ingers Tod angeordnet hat, und dass Quinn das grausame Schauspiel mit ansehen musste, ist Petra außer sich vor Wut. Auf ihrem Hals zeigen sich rote Flecke und sie haut pausenlos mit der geballten Faust in ihre andere Hand. Ganz klar, sie will Quinn dafür büßen lassen, egal, wie beschämt er selbst ist. Sie schwört lautstark Rache – und Silas lässt sie schimpfen und toben. Immer weiter schaukelt sie sich hoch, und erst nach einer ganzen Weile kommt sie so weit wieder runter, dass sie ansprechbar ist.
Da versucht Silas, ihr noch einmal nahezulegen, dass sie Quinn gewinnbringender nutzen könnte. Auch für Maude findet er sofort einen Verwendungszweck, als er von ihr hört.
Und nach nicht mal einer Stunde hat Silas einen Schlachtplan ausgearbeitet, der uns vielleicht alle retten könnte.
BEA
Ich vermute, dass es Morgen ist, obwohl ich keinen konkreten Anhaltspunkt dafür habe. Alles, was ich weiß, ist, dass wir schon seit Stunden ohne Wasser, Licht, Essen und ausreichend Sauerstoff hier drinnen hocken.
Auch Maude hat das Obst nicht im Magen behalten. Die ganze Zelle stinkt. Maudes Bewegungen werden langsamer. Sie sitzt nicht einmal mehr, sondern liegt nur noch dösend auf dem Boden, schreckt stündlich hoch von irgendeinem neuen Albtraum. Ich habe ebenfalls versucht zu schlafen, an die Wand gelehnt und mit Maudes Kopf auf dem Schoß. Jetzt streichle ich ihr über das stumpfe Haar und lausche ihrem Atem.
Ich habe keinen blassen Schimmer mehr, auf welcher Seite ich stehe. Mir ist klar, dass das Ministerium uns unterdrückt, dass es meine Eltern ausbeutet und uns abhängig macht: Die hohen Sauerstoffdosen, die es in uns reinpumpt, verhindern ein Überleben außerhalb der Kuppel. Mir ist auch klar, dass ich in der Kuppel niemals eine Position erlangen kann, die es mir ermöglichenwürde, meinen Eltern zu helfen – außer, ich heirate einen Premium. Auf der anderen Seite gab es in der Kuppel wenigstens die Illusion von Freiheit. Die Rebellen hingegen geben vor, für Freiheit und Gerechtigkeit zu stehen, verhalten sich uns gegenüber jedoch gnadenlos und unbarmherzig. Und frei bin ich
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