Brennendes Land
Automaten mitsamt eines Schwalls von Mauersteinen aus der Wand. Zwei zufällige Passanten zurrten den Geldautomaten energisch mit Bungeeseilen fest. Der Abschleppwagen nahm daraufhin noch die geparkte Limousine eines Bankangestellten auf den Haken, dann fuhr er weg.
Jetzt sah man den Arm eines jungen Mannes in Nahaufnahme. Eine kräftige braune Hand drückte einen Knopf, worauf die Linse der Überwachungskamera mit Farbe besprüht wurde. Damit endete das Video.
Nicht aber der Überfall. Die Angreifer hatten die Bank nicht bloß ausgeraubt. Sie hatten alles fortgeschleppt, was nicht niet- und nagelfest war, einschließlich der Überwachungskameras, der Teppiche, der Stühle, der Beleuchtungskörper und Sanitärinstallationen. Die Verschwörer hatten die Bank vorsätzlich bestraft, aus Gründen, die nur sie selbst oder ihre unbekannten Anführer kannten. Sie hatten Türen mit Superkleber verklebt, Fensterscheiben zerschlagen, Strom- und Datenleitungen durchtrennt, stinkende Toxine in die Hohlräume in den Wänden gekippt, die Waschbecken und Abflüsse mit Beton gefüllt. Binnen acht Minuten hatten sechzig Menschen das Gebäude so gründlich ruiniert, dass man es nur noch abreißen konnte.
Die behördliche Untersuchung hatte weder zur Verurteilung, noch zur Ergreifung oder auch nur Identifizierung eines der ›Rädelsführer‹ geführt. Als man die Worcester Bank genauer unter die Lupe nahm, kamen zahlreiche schwerwiegende Unregelmäßigkeiten ans Licht. Der Skandal führte schließlich zum Rücktritt dreier Politiker des Staates Massachusetts und zur Verhaftung vierer Bankmanager sowie des Bürgermeisters von Worcester. Der Bankskandal von Worcester war daraufhin im Wahlkampf zum US-Senat zu einem wichtigen Thema avanciert.
Dieser Vorfall war wirklich bemerkenswert. Er umfasste Organisation, Beobachtung, Entscheidungen und Ausführung. Verantwortlich für die brutale Unternehmung war offenbar irgendein neuer Machtfaktor. Irgendjemand hatte dies alles aufs Sorgfältigste geplant und durchgeführt, aber wie? Wie hatten die Drahtzieher sich der Loyalität der vielen Mittäter versichert? Wie hatte man sie angeworben, sie ausgebildet, gekleidet, bezahlt, transportiert? Und was noch verwunderlicher war – wie kam es, dass sie nach der Tat alle Schweigen bewahrten?
Oscar Valparaiso hatte einmal geglaubt, Politik sei mit einem Schachspiel vergleichbar. Mit einem Schachspiel, so wie er es kannte. Mit Bauern, Springern und Damen, mit Machtzentren und Strategien, schwarzen und weißen Feldern. Die Beschäftigung mit dem Video hatte ihn eines Besseren belehrt. Das Phänomen, welches das Video zeigte, war keine Schachfigur. Es stand auf dem öffentlichen Schachbrett, das ja, doch es war weder ein Turm noch ein Läufer. Es war ein glitschiger Tintenfisch, ein Bienenschwarm. Es war eine neue Wesenheit, die ihrer eigenen Logik folgte und sich anschließend in die stillen Zwischenräume einer stark vernetzten und zunehmend zersplitterten Gesellschaft flüchtete.
Oscar seufzte, klappte den Laptop zu und blickte durch den Bus. Seine Wahlkampfhelfer lebten schon seit dreizehn Wochen in dem Bus, inmitten der langsam ansteigenden Müllflut. Sie hatten gesiegt, und nun fiel der Druck des anstrengenden Wahlkampfs allmählich von ihnen ab. Alcott Bambakias, ihr ehemaliger Auftraggeber, war als neuer Senator von Massachusetts gewählt. Oscar hatte ihm den Sieg errungen. Jetzt war die Kampagne ad acta gelegt.
Gleichwohl lebten noch immer zwölf Angestellte im Bus des Senators. Sie schnarchten in ihren Kojen, spielten Poker auf Klapptischen, trampelten auf großen, promiskuitiven Wäschehaufen herum. Hin und wieder wühlte einer in den Schränken nach etwas Essbarem.
Oscars Ärmel piepste. Er zog ein Stofftelefon hervor und brachte es geistesabwesend in Form. »Okay, Fontenot«, sagte er ins Mikrofon.
»Wollen Sie heute noch im Labor ankommen?« fragte Fontenot.
»Das wäre schön.«
»Was ist Ihnen das wert? Es gibt da ein Problem mit einer Straßensperre.«
»Die wollen uns erpressen, hab ich recht?« sagte Oscar und runzelte die Stirn unter seinem tadellos frisierten Haar. »Sie verlangen rundheraus ein Bestechungsgeld? Ist es wirklich so einfach?«
»Nichts ist mehr einfach«, sagte Fontenot. Der Sicherheitschef erging sich nicht in resignativem Sarkasmus. Er benannte lediglich eine Tatsache des modernen Lebens. »Das ist was anderes als die üblichen Straßenblockaden. Wir haben es hier mit der United States Air Force zu
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