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Bretonische Verhältnisse

Bretonische Verhältnisse

Titel: Bretonische Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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Aufmacher des Ouest-France . Erstaunliche Statistiken über das Wetter waren eine Spezialität der Zeitung – eigentlich aller bretonischen Zeitungen und überhaupt aller Bretonen. »Seit Jahrzehnten«, das war die dramatische Quintessenz, »hat uns kein Juni mit so niederschmetternd wenig Sonnenstunden und Wärme zurückgelassen.« Wieder einmal. Und der Artikel endete wie er enden musste: »So ist es: In der Bretagne ist das Wetter schön – fünf Mal am Tag«; eine Art patriotisches Mantra. Nur die Bretonen selbst durften indes über das bretonische Wetter schimpfen oder lachen; wenn es andere taten, wurde es als sehr unhöflich empfunden. Das verhielt sich, wie Dupin in den nun fast drei Jahren hier gelernt hatte, mit allem »Bretonischen« so.
    Der penetrante Ton seines Mobiltelefons schreckte den Kommissar auf. Er hasste das, jedes Mal. Es war Kadegs Nummer. Einer seiner beiden Inspektoren. Dupins Laune verdüsterte sich. Er ließ es klingeln. Er würde ihn in einer halben Stunde im Kommissariat sehen. Dupin fand Kadeg kleingeistig, unerträglich emsig, devot, dabei von einem hässlichen Ehrgeiz getrieben. Kadeg war Mitte dreißig, eher untersetzt, hatte ein rundes Babygesicht, ein wenig abstehende Ohren, eine Halbglatze, die ihm außerdem nicht stand – und fand sich unwiderstehlich. Er war Dupin gleich am Anfang zugeteilt worden, und der Kommissar hatte einiges unternommen, um ihn loszuwerden. Er war dabei ziemlich weit gegangen, ohne Erfolg.
    Das Handy klingelte ein zweites Mal. Immer machte er sich wichtig. Ein drittes Mal. Dupin merkte, dass er doch etwas unruhig wurde.
    »Ja?«
    »Monsieur le Commissaire? Sind Sie es?«
    »Wen erwarten Sie an meinem Telefon?«, blaffte Dupin.
    »Präfekt Locmariaquer hat angerufen, gerade eben. Sie müssen ihn vertreten. Heute Abend, das Freundschafts-Komitee aus Staten Stoud in Kanada.«
    Der süßliche Tonfall Kadegs war widerlich.
    »Wie Sie wissen, ist Präfekt Locmariaquer Ehrenvorsitzender unseres Komitees. Heute Abend wird die offizielle Delegation, die sich für eine Woche in Frankreich aufhält, Ehrengast auf der Bretonnade in Trégunc Plage sein. Der Präfekt hat nun unvorhergesehener Weise in Brest zu tun und bittet Sie, an seiner Stelle die Delegation und ihren ersten Vorsitzenden, Docteur de la Croix, zu begrüßen. Trégunc ist ja unser Terrain.«
    »Was?«
    Dupin hatte keine Ahnung, wovon Kadeg sprach.
    »Staten Stoud ist die Partnerstadt von Concarneau, in der Nähe von Montreal, der Präfekt hat entfernte Verwandte dort, die …«
    »Es ist Viertel vor acht, Kadeg. Ich frühstücke.«
    »Es ist dem Präfekten sehr wichtig, er hat ausschließlich deswegen angerufen. Und er hat mich gebeten, Sie unverzüglich zu informieren.«
    »Zu informieren?«
    Dupin legte auf. Er hatte keine Lust, sich auch nur einen Augenblick mit dieser Sache zu beschäftigen. Gott sei Dank war er zu müde, um sich wirklich aufzuregen. Dupin konnte Locmariaquer nicht ausstehen. Und außerdem hatte er bis heute keine rechte Idee davon, wie er diesen Namen auszusprechen hatte, was ihm zugegebenermaßen bei nicht wenigen Bretonen so ging und ihn, der in seinem Beruf nun einmal viel mit Menschen zu tun hatte, nicht selten in peinliche Situationen brachte.
    Dupin wendete sich wieder der Zeitung zu. Der Ouest-France und der Télégramme , das waren die beiden großen Lokalzeitungen, die sich auf zuweilen kurios liebevoll-stolze Weise der Bretagne widmeten; nach einer Seite sehr summarischer internationaler und nationaler Nachrichten, die zügig das Weltgeschehen abhandelten, folgten dreißig Seiten regionaler und lokaler, meist sehr lokaler Meldungen. Kommissar Dupin liebte beide Blätter. Nach seiner »Versetzung« hatte er, zunächst widerwillig, dann mit wachsendem Interesse seine Studien der bretonischen Seele begonnen. Neben den Begegnungen mit den Menschen waren es genau diese kleinen, scheinbar unbedeutenden Geschichten, durch die er am meisten erfahren hatte. Geschichten über das Leben am »Ende der Welt«, dem »finis terra« – wie die Römer den äußersten Teil der weit in den tosenden Atlantik hineingestreckten, wild zerklüfteten Halbinsel genannt hatten und wie das Département bis heute hieß.
    Das Telefon klingelte wieder. Wieder Kadeg. Dupin merkte, wie trotz aller Müdigkeit Wut in ihm aufstieg.
    »Ich werde heute Abend nicht können, ich habe zu tun, dienstliche Verpflichtungen, richten Sie das Loccarm – richten Sie das dem Präfekten aus.«
    »Ein Mord. Es gab

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