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Bretonische Verhältnisse

Bretonische Verhältnisse

Titel: Bretonische Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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sechs Uhr hier. Seit siebenunddreißig Jahren. Pünktlich um sechs Uhr. Es fehlten die kleinen Löffel. Beim Frühstück hier. Wissen Sie, wenn es noch nicht so viele Gäste sind, machen wir nur hier oben Frühstück, in der Hochsaison dann auch im Restaurant. Ich wollte kleine Löffel aus dem Restaurant holen. Sie fehlen häufig, das muss man ändern. Das sage ich die ganze Zeit! Ich muss noch mal mit Madame Mendu sprechen. – Ich habe nichts Besonderes gesehen, unten im Restaurant, nur die Leiche. Der arme Monsieur Pennec. Wissen Sie warum niemand etwas gehört hat gestern Nacht? Wegen dem großen Fest. Es war überall so laut, im ganzen Ort, das ist immer so, wenn hier gefeiert wird. Es geht sehr ausgelassen zu. Ich habe vor drei Uhr kein Auge zugetan. Ja, ich war alleine. Dann habe ich geschrien. Und Mademoiselle Kann ist gekommen. Sie hat mich hierhin gebracht. Sie ist eine gute Seele, Monsieur le Commissaire. Es ist so schlimm.«
    »Sie haben also weder gestern noch in den letzten Tagen irgendetwas Ungewöhnliches wahrgenommen? An Monsieur Pennec, hier im Hotel? Denken Sie darüber nach. Der kleinste Umstand kann von Belang sein. Etwas, das Ihnen vielleicht ganz unbedeutend vorkommt.«
    »Es war alles wie immer. In bester Ordnung. Darauf legte Monsieur Pennec großen Wert.«
    »Gar nichts also.«
    Madame Lajoux machte eine resignierte Armbewegung.
    »Nein, gar nichts. Wir haben eben schon alle miteinander gesprochen. Alle Hotelangestellten, die heute da sind, meine ich. Niemandem ist etwas Besonderes aufgefallen.«
    »Ganz allgemein – haben Sie eine Idee, was hier vorgefallen sein könnte?«
    »Monsieur le Commissaire!«
    Sie wirkte tatsächlich empört.
    »Sie fragen, als hätte es hier ein kriminelles Geschehen gegeben.«
    Dupin lag es auf der Zunge, anzumerken, dass ein Mord ja durchaus als kriminelles Geschehen aufzufassen sei.
    »Sie sind es, die von allen Angestellten am längsten in den Diensten von Monsieur Pennec standen?«
    »Oh ja!«
    »Dann kannten Sie Monsieur Pennec am besten von allen hier im Hotel.«
    »Natürlich. Ein Haus wie dieses, Monsieur le Commissaire, ist eine Lebensaufgabe. Ein Mandat, wie Pierre-Louis Pennec immer sagte.«
    »Ist Ihnen denn im Restaurant und in der Bar etwas aufgefallen? Abgesehen von der Leiche.«
    »Nein. Wissen Sie, die Saison beginnt gerade. Es ist immer sehr hektisch in diesen Tagen. Es ist so viel.«
    Ihr Gesicht veränderte dramatisch die Züge. Jetzt sprach sie sehr langsam, schleppend, mit gepresster Stimme. »Wissen Sie, es gibt schlimme Gerüchte, man behauptet, wir hätten … wir hätten eine Affäre gehabt, Monsieur Pennec und ich. In den Jahren nach dem tragischen Tod seiner Frau. Ein Unfall auf dem Boot. Ich hoffe, Sie schenken diesen impertinenten Stimmen keinen Glauben, Monsieur le Commissaire. Eine ungeheuerliche Lüge. Nie hätte Monsieur Pennec so etwas getan. Er hat seine Frau über den Tod hinaus geliebt und war ihr treu. Alle Zeit … Nur weil wir uns so nahestanden, freundschaftlich. Menschen haben manchmal eine wüste Fantasie.«
    Dupin war ein wenig ratlos.
    »Aber natürlich, Madame Lajoux. Aber natürlich.«
    Es entstand eine kleine Pause.
    »Was war das für ein Unfall?«
    Dupin hatte diese Frage ohne eine bestimmte Absicht gestellt.
    »Aus heiterem Himmel, eines Tages. Darice Pennec ist bei Sturm über Bord gegangen. In der Dämmerung. Niemand trägt eine Schwimmweste hier, wissen Sie. Sie kamen von den Glénan-Inseln. Kennen Sie das Archipel? Wahrscheinlich nicht, Sie sind ja ganz neu hier, hat man mir gesagt. Es ist wunderschön. Wie im Mittelmeer, manche meinen sogar, wie in der Karibik. Blendend weißer Sand.«
    Dupin hätte gerne gesagt, dass er die Glénan natürlich kenne, dass er ja immerhin seit fast drei Jahren hier lebe. Für Bretonen war man, wenn die Familie nicht seit vielen Generationen aus der Bretagne stammte, »ganz neu« hier. Aber er hatte sich irgendwann damit abgefunden und alles Protestieren aufgegeben.
    »Wissen Sie, die Stürme kommen so schnell hier. Sie war sofort weg. Das tut das Meer manchmal. Er ist bis zum nächsten Morgen draußen gewesen, um sie zu suchen. Wissen Sie, das ist lange her. Zwanzig Jahre. Sie war achtundfünfzig Jahre alt. Der arme Pennec. Er war fast ohnmächtig vor Erschöpfung, als er im Hafen ankam.«
    Dupin beschloss, nicht weiter darauf einzugehen.
    »Und Ihnen?« Dupin wandte sich übergangslos an Mademoiselle Kann und kassierte einen entrüsteten Blick von Madame Lajoux. »Ist

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