Briefe an eine Freundin
aber in diesem Sommer wirklich sehr heiße Tage gehabt. Meine Liebe für große Wärme schreibt sich doch nicht, wie Sie glauben, aus meinem längeren Aufenthalt in Spanien und Italien her, ich erinnere mich, sie von früher Kindheit an gehabt zu haben...
Sie haben allerdings recht, wenn Sie sagen, Frau von Staël und Frau von Laroche werden schlimm im Goetheschen Briefwechsel behandelt. Es ist dies Goethes Schuld. Im vertraulichen Briefwechsel kann man sich, wie im Gespräch, kleine Spöttereien erlauben, da man keine üble Absicht damit verbindet und genau weiß, wie man verstanden wird. Wenn man aber solche Briefe vor das große Publikum bringt, muß man solche Stellen wegstreichen, und darin ist Goethe, der den Briefwechsel herausgegeben, zu sorglos gewesen. Solche kleine Flecken können aber einem Werke keinen Eintrag tun, das sonst einen solchen Reichtum
an genialen und neuen Ideen enthält und so das lebendige Gepräge des Gedankenaustausches zweier großer Geister in sich trägt; denn es gibt nicht leicht eine Schrift, die einen so unendlichen Stoff zum Nachdenken darbietet und so, nach allen Richtungen hin, die einzig richtig leitenden Ansichten angibt. Der Staël mußten Goethe und Schiller Unrecht tun, da sie sie garnicht genug kannten. Die Staël war bei weitem weniger von ihren schriftstellerischen Seiten, als im Leben und von Seiten ihres Charakters und ihrer Gefühle, Geist und Empfindung. Beides war in ihr auf eine ganz ihr angehörende Weise verschmolzen. Goethe und Schiller konnten das nicht so wahrnehmen. Sie kannten sie nur aus einzelnen Gesprächen, und auch da nur unvollkommen, da sie sich doch beide nicht französisch mit vollkommener Freiheit ausdrückten. Diese Gespräche griffen sie an, weil sie dadurch angeregt wurden, ohne sich doch in dem fremden Organ ganz und rein aussprechen zu können, und so wurde ihnen die lästig, die solche Gespräche veranlaßte. Von dem wahren inneren Wesen der Frau wußten sie nichts. Was man von ihrer Unweiblichkeit sagte, gehört zu dem trivialen Geschwätz, das sich der gewöhnliche Schlag der Männer und Weiber über Frauen erlaubt, deren Art und Wesen über ihren Gesichtskreis geht. Sich über das Höhere allen Urteils zu enthalten, ist eine zu edle Eigenschaft, als daß sie häufig sein könnte. Wirklich
selbst vorzügliche Frauen, welche die Staël kannten, haben sie nie als unweiblich getadelt, und noch weniger kann man sie so in ihren Schriften finden.
Die Laroche habe ich selbst gleichfalls gekannt. Sie war sehr gutmütig und mußte in ihrer Jugend schön gewesen sein. Von Geist war sie allerdings nicht ausgezeichnet. Allein ihre Schriften sind nicht ohne Wirkung auf die weibliche Bildung ihrer Zeit geblieben. Insofern hat die Frau ein Verdienst gehabt, das ihr auch Goethe und Schiller nie würden haben absprechen wollen. Sie dachten nur an den literarischen Wert, der freilich nicht groß war. Man muß aber auch, was sie in scherzhaft heiterer Laune hinschrieben, nicht als vollwichtigen Ernst aufnehmen. Die Epochen, in die uns diese Erinnerungen zurückführen, weichen allmählich in solche Ferne zurück, daß schon darum das Interesse an ihnen wächst. Auch erscheint immer mehr, was zur Charakterisierung der damals merkwürdigsten Personen dient. In den Urteilen über sie wirkt noch die Stimmung mit fort, welche sie im Leben hervorbrachten; allein nach und nach tritt eine andere Stimmung ein, bis sich endlich das bildet, was man den bleibenden Nachruhm nennt. Die Menschen werden in diesem gewissermaßen zu Schattengestalten. Vieles, was sie an sich tragen, erlischt, und das Übrigbleibende wird nun zu einer ganz anderen Erscheinung. Dabei wird noch, was man von ihnen weiß, nach dem Geiste der jedesmaligen
Zeit aufgenommen. So ungewiß steht es um das Bild, das auch die größten Menschen hinterlassen, und um die Geschichte!
Meine Badekur ist den 21. d. M. zu Ende, und ich werde also noch vor dem Ende desselben zurückgekehrt in Tegel sein. Ich fühle mich wohl und sehr gestärkt, und werde die Wirkung nach einiger Zeit noch mehr empfinden. Ich sage Ihnen das, liebe Freundin, schon jetzt und noch von hier aus, da Sie mir mit liebevoller Teilnahme so oft gesagt haben, daß Sie diese Nachrichten zuerst und vor allen anderen in meinen Briefen suchen. So begegnen sie Ihnen schon am Schluß dieses Briefes und kommen Ihnen früher zu, was Ihnen, wie ich weiß, Freude macht. Aber richten Sie es nun auch so ein, daß ich einen Brief von Ihnen in Berlin
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