Elenium-Triologie
PROLOG
GHWERIG UND DER BHELLIOM
(Aus der Sage der Trollgötter)
Zu Anbeginn der Zeit, lange ehe die Urväter von Styrikum in Felle gehüllt und mit Keulen bewaffnet aus den Bergen und Wäldern von Zemoch auf die Ebenen von Mitteleosien schlurften, hauste in einer Höhle, tief unter dem ewigen Schnee Thalesiens, ein zwergenwüchsiger, mißgestalter Troll namens Ghwerig. Sein Volk hatte ihn seiner ungeheuren Habgier und auch seiner Häßlichkeit wegen verstoßen, und so rackerte er sich allein in den Tiefen der Erde ab, auf Suche nach Gold und kostbaren Edelsteinen, die er auf seinen argwöhnisch gehüteten Hort häufte. Schließlich kam der Tag, an dem er in einen Stollen tief unter der froststarren Erdoberfläche vordrang und im flackernden Schein seiner Fackel einen leuchtend blauen Edelstein in die Wand gebettet sah, größer als seine Faust. Vor Aufregung an allen knorrigen, krummen Gliedern zitternd, kauerte er sich auf den Boden des Ganges und stierte gierig auf den riesigen Edelstein. Die Erkenntnis übermannte ihn, daß dessen Wert den seines gesamten Hortes übertraf, welchen er in Jahrhunderten mühsamer Arbeit zusammengetragen hatte. Mit allergrößter Vorsicht begann er das Gestein rundum herauszumeißeln, Splitter um Splitter, um den wertvollen Stein aus dem Felsen zu befreien, in dem er seit Erschaffung der Welt geruht hatte. Und als immer mehr vom Juwel zum Vorschein kam, erkannte er dessen ungewöhnliche Form, und ihm kam ein Gedanke. Wenn es ihm gelang, ihn unbeschädigt zu bergen, wäre er vielleicht imstande, durch behutsames Schleifen und Polieren diese Form noch zu vervollkommnen und dadurch seinen Wert um ein Tausendfaches zu erhöhen.
Nachdem es ihm schließlich geglückt war, den Stein aus seinem felsigen Bett zu brechen, trug er ihn geradewegs zu der Höhle, in der sich seine Werkstatt und sein Hort befanden. Gleichmütig spaltete er einen Diamanten von unschätzbarem Wert und fertigte aus den Stücken Werkzeuge, mit denen er seinen kostbaren Fund bearbeiten konnte.
Jahrzehnte schliff und polierte Ghwerig den Stein mit unendlicher Geduld im Licht rußiger Fackeln und murmelte dazu unentwegt Anrufungen und Zaubersprüche, die das unbezahlbare Juwel mit all der Macht des Guten oder Bösen der Trollgötter erfüllen sollten. Als er den Schliff vollendet hatte, besaß der Stein, der von tiefstem Saphirblau war, die Form einer Rose. Er gab ihm den Namen Bhelliom, Blumenstein, und er glaubte, daß die Kraft dieser edlen Saphirrose jeden Wunsch zu erfüllen vermochte.
Doch obwohl der Bhelliom von der Macht der Trollgötter durchdrungen war, wollte der Stein sie nicht auf seinen mißgestalteten und häßlichen Besitzer übertragen. In rasendem Zorn hämmerte Ghwerig mit den Fäusten auf den Felsboden seiner Höhle. Er beschwor seine Götter und brachte ihnen Gold und Silber als Opfergaben dar. Da taten sie ihm kund, daß es einen Schlüssel gebe, die Macht des Bhelliom freizusetzen, damit nicht ein jeder sich dieser Kraft bedienen könne, wenn ihn danach gelüste. Dann offenbarten die Trollgötter Ghwerig, was er zu tun habe, um die Herrschaft über seinen Stein zu gewinnen. Der Troll nahm die Splitter, die beim Schliff der Saphirrose unbemerkt in den Staub zu seinen Füßen gefallen waren, und fertigte ein Paar Ringe. Aus feinstem Gold schmiedete er sie und besetzte jeden mit einem polierten, ovalen Splitter des Bhelliom. Als die Ringe vollendet waren, streifte er sie über seine Ringfinger und hob die Saphirrose mit beiden Händen empor. Das tiefe, glühende Blau der Splitter des Bhelliom floh in den Mutterstein zurück, und die Steine in den Ringen, die er an den knorrigen Händen trug, waren nunmehr so bleich wie Diamanten. Und als er den Blumenstein jetzt hielt, spürte er die Größe seiner Macht, und das Wissen, daß dieses von ihm erschaffene Kleinod bereit war, ihm untertan zu sein, erfüllte ihn mit Glückseligkeit.
Groß waren die Wunder, die Ghwerig im Lauf unzähliger Jahrhunderte mit der Macht des Bhelliom wirkte. Doch schließlich kamen die Styriker in das Land der Trolle. Als die Älteren Götter von Styrikum vom Bhelliom erfuhren, begehrte ein jeder von ihnen den Stein seiner Macht wegen. Doch Ghwerig war schlau; er versiegelte die Eingänge zu seiner Höhle mit Zaubern, die alle ihre Bemühungen, den Bhelliom an sich zu bringen, zunichte machten.
Dann aber kam jene Zeit, da sich die Jüngeren Götter von Styrikum berieten, denn die Macht, welche der Bhelliom auf jedweden
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