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Briefe an eine Freundin

Briefe an eine Freundin

Titel: Briefe an eine Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Humboldt
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gerade sein Zweck. Ich wollte Ihnen nur sagen, wie ich Bücher lese, keineswegs aber Ihre Weise tadeln.
    Den 4. Dezember. Ich bin nunmehr im Besitz Ihres Briefes vom 24. November und danke Ihnen herzlich für den ganzen Inhalt desselben. Erhalten Sie sich in der ruhigen, heitern, zufriedenen Stimmung. Eine Heiterkeit wie die, von der Sie sagen, daß sie Ihnen natürlich inwohnt, ist eine sehr glückliche Gabe des Himmels oder des Schicksals und, wie Sie selbst sehr richtig bemerken, mehr noch eine Frucht einer natürlich einfachen, bescheiden genügsamen Gemütsart. Wenn sie aber auch so, gleichsam von selbst, im Charakter hervorblüht, so kann und muß man sie doch auch nähren und unterstützen. Ich meine das nicht von außen, sondern recht eigentlich von innen. Ebenso ist es auch mit der Wehmut. Der Mensch hat sich, wenn er irgendein innerliches Leben gelebt hat, ein geistiges Eigentum von Überzeugungen, Gefühlen, Hoffnungen, Ahnungen gebildet. Dies ist ihm sicher, ja, im eigentlichen Verstande unentreißbar. Kann er darin sein Glück, seine Beruhigung, seine stille Heiterkeit finden, so ist ihm diese gesichert und geborgen, wenn seine Stimmung auch wehmütig bleibt. Denn jeder Gegenstand edler Wehmut schließt sich willig an den
eben genannten Kreis an. Sobald man überhaupt irgend etwas, was das Gemüt ergreift, in das Gebiet geistiger Tätigkeit hinüberführen kann, wird es linder und mischt sich auf eine sehr versöhnende Weise mit allem, was uns eigentümlich ist, wovon wir, wenn es auch schmerzte, uns nicht trennen könnten, ja nicht trennen möchten. Ich meine aber unter geistiger Tätigkeit nicht die der Vernunft. Diese könnte ein fühlendes Gemüt nur zu starrer Resignation bringen, die immer eine Ruhe des Grabes ist und nicht die schöne lebendige Heiterkeit gewähren kann, von der ich hier rede. Die rein geistige Wirksamkeit hat aber ein viel weiteres Gebiet und verschmilzt mit der Empfindung gerade zu dem Höchsten, dessen der Mensch fähig ist, und diese Verschmelzung enthält das wahre Mittel aller wahrhaft hilfreichen Beruhigung. Der Gedanke verliert in ihr seine Kälte, und die Empfindung wird auf eine Höhe gestellt, auf der sich die verletzende einseitige Beziehung auf das persönliche Selbst und den Augenblick der Gegenwart abstumpft. Leben Sie herzlich wohl! Ihren letzten Brief beantworte ich das nächste Mal. Mit dem innigsten Anteil der Ihrige. H.
     
     
Tegel
, den 20. Dez. 1833 bis 7. Jan. 1834.
     

    E s ist sehr gütig von Ihnen, liebe Charlotte, daß Sie lieber meine Briefe entbehren wollen als mir zumuten, sie bei dem Zustand meiner Augen und Hand zu schreiben.
Ich erkenne es mit doppelter Dankbarkeit, da ich weiß, was Ihnen meine Briefe sind, und daß Sie weit mehr darin finden als wirklich darin liegt. Ich fühle auch, daß Ihre Einsamkeit sie Ihnen noch wertvoller macht, da es nicht immer leicht ist, im Innern ganz allein zu stehen. Ich begreife daher und fühle vollkommen, daß das Ausbleiben meiner Briefe eine bedeutende Lücke in Ihrem täglichen Leben machen würde. Gewiß weiß ich also die Stelle, die Ihr letzter Brief enthält, nach ihrem vollen Wert zu schätzen. Für den Augenblick sehe ich noch keine Notwendigkeit ein, eine Änderung vorzunehmen. Wenn mich, wofür man freilich menschlicherweise nicht stehen kann, nichts Plötzliches befällt, so wird überhaupt ein gänzliches Abbrechen nicht nötig sein. Die Übel, die mir das Schreiben erschweren, sind von der Art bis jetzt, daß sie nur nach und nach und bis jetzt sogar nicht schnell zunehmen. Die Folge wird daher auch nur die sein können, daß ich weniger ausführliche Briefe schreibe, wobei es mir doch auch ein Trost sein wird zu denken, daß Sie weniger Mühseligkeit haben werden zu lesen. Überlassen Sie es also vertrauensvoll mir, abzumessen, was meinen Kräften noch zusagt und wozu sie nicht mehr ausreichen. Ich bin von Natur und durch eigene frühe Gewöhnung tätig und von nicht leicht zu ermüdender Geduld, lasse schwer ab in Überwindung von Schwierigkeiten und gestatte nicht gern der
Natur, meinem Willen etwas abzunötigen. Ganz aus eigenem Triebe habe ich als Kind schon mich geübt zu tun, was mir körperlich sauer wurde, und Schmerz und Beschwerde mir nicht aus Weichlichkeit zu ersparen gesucht. Noch danke ich dem Himmel, daß er mir gerade das in die Brust legte. Denn wenn auch die Selbstverleugnung und Übung der Willenskraft garnicht zu den höchsten und größten Tugenden gehören, so kann man

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