Briefe an eine Freundin
vorsichtig genug. Wie es bald mit diesen Papieren ging, ist bekannt genug und gehört nicht weiter hierher.
Bald kamen die wichtigen weltgeschichtlichen Jahre 1812, 13 und 14 heran. Wer, der sie erlebte, denkt nicht gern und mit Freuden der Begeisterung jener Zeit, in der man des eigenen Geschicks vergaß, wenn es nicht zu schwer war! Ich lebte in dieser Zeit im Braunschweigischen. Wer hatte mehr gelitten als der Herzog selbst, wie hing ihm sein Volk an mit deutscher Treue und Liebe! Auf eine den gütigen Fürsten hochehrende Art war er mit meinen Verlusten und meiner daraus hervorgegangenen Lage bekannt geworden. Er rechnete mir, als einer Fremden, mein früheres Darlehn höher an, als es solches verdiente. Freunde von mir standen ihm nahe und machten ihn genauer mit allem bekannt. Der höchst gütige Fürst bezeigte mir in zwei Briefen seine Teilnahme an meinen Verlusten und den Wunsch, meine Lage gründlich zu ändern. Man riet mir, das Wohlwollen gleich in Anspruch zu nehmen und um eine Pension zu bitten. Das vermochte ich nicht. Ich vertraute dem fürstlichen Wort: nach glücklich
beendeter Sache die Sorge für mich selbst zu übernehmen. Dies Vertrauen hätte mich gewiß nicht getäuscht, wäre er nicht bei Waterloo gefallen. –
Mehrere einflußreiche Männer in hoher Stellung interessierten sich für meine Sache, um mir einigen Ersatz zu verschaffen, aber vergeblich. Meine großen Verluste blieben, wie hart und drückend sie waren, unersetzt.
Um diese Zeit sprachen die Zeitungen viel in großen, ehrenvollen Erwartungen von dem Minister von Humboldt, der im Hauptquartier des Königs von Preußen und dann als dessen Bevollmächtigter auf dem Kongreß in Wien war. Plötzlich kam mir der Gedanke, mich in die Erinnerung des nie Vergessenen zurückzurufen, mich offen und ohne Rückhalt gegen ihn über meine dermalige Lage auszusprechen und es ihm und seiner Einsicht anheim zu stellen,
ob
und
was
für mich zu tun sei. So schnell wie der Gedanke in mir aufstieg, wurde er ausgeführt. Alles Jugendvertrauen kehrte während des Schreibens zurück. Ich gab dem teuern Freund einen möglichst kurzen Überblick über viele verhängnisvolle Jahre, verweilte aber länger bei der Gegenwart, die mir den Mut gegeben hatte zu diesem Schritt. Das heilig bewahrte Stammbuchblättchen war eine sprechende Beglaubigung. Von diesem Brief habe ich damals für mich eine Abschrift bewahrt und diese jetzt wiedergefunden, und da er die folgenden veranlaßte und den Briefwechsel
eröffnete, so gehört er, stückweise, hierher und ich teile das Nötige daraus mit.
Ich bekam auf der Stelle Antwort.
Jeder, der den Vollendeten kannte, wird seinen Brief, den treuen Ausdruck des edelsten Gemüts, nicht ohne gerührtes Interesse lesen.
E he jedoch zu den wertvollen Briefen übergegangen wird, möchte es nötig sein zu sagen, wie die Veröffentlichung oder vielmehr der Entschluß dazu entstanden ist. Es möchte dies Pflicht sein in einer Zeit, worin so viele Briefe von vertrautem Inhalt erscheinen, die neben dem Interesse, das sie gewähren, notwendig verletzen müssen und gerechten Tadel verdienen, ohne die Wahrhaftigkeit zu beweisen.
Die Herausgabe
dieser
Briefe ist wie von einem unsichtbaren Willen geleitet entstanden. Ich bewahrte viele Jahre meine köstlichen, neidenswerten Briefschätze, schweigend, wie ein Heiligtum, und sah sie an wie eine unerschöpfliche Quelle höheren Lebens, woraus ich lange Jahre Mut und Kraft schöpfte und die Reife empfing, deren ich fähig war, und nur auf diese Art teilhaftig werden konnte. Eigentlich bedurfte ich für meinen Geist keine weitere Nahrung, für mein Nachdenken keinen reicheren Stoff, für meine Belehrung kein anderes Buch, für meine Seele kein helleres Licht. Dabei fand ich in allen Lagen den Trost und die Ermutigung, die mir gerade nötig waren. Höchstgütig
ließ der edle Freund sich zu meiner Fassungskraft herab, so war er mir, worüber er auch reden mochte, immer verständlich, klar und überzeugend. Wenn wir auch in manchen Meinungen verschieden waren, so ging diese Verschiedenheit aus ganz verschiedenen Äußerlichkeiten des Lebens hervor. Immer aber blieb der Freund meiner Seele das leitende Prinzip meines geistigen Lebens; ich lebte von einem Brief bis zum andern mit ihm fort, und es bildete sich für mich, in einer mühe- und sorgenvollen Lage und bei untergrabener Gesundheit, ein reiches inneres Leben. Wenn ich mich immer mehr zurückzog, den Kreis meiner Freunde enger schloß,
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