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Briefe an eine Freundin

Briefe an eine Freundin

Titel: Briefe an eine Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Humboldt
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willen geschieht, entweder als selbst erkanntes und empfundenes Gesetz aus reiner Pflicht, oder aus dem Gefühl der erhabenen Würde und der ergreifenden Schönheit der Tugend. Nur diese Motive beweisen, daß wirklich die Gesinnung selbst groß und edel ist, und nur sie wirken auch wieder auf die Gesinnung zurück. Tritt, wie das bei gutartigen Gemütern immer der Fall ist, die Religion dazu, so kann auch sie auf zweierlei Art wirken. Die Religion kann auch nicht in ihrer wahren Größe gefühlt, noch von einem niedrigen Standpunkte aus gewonnen werden. Wer Gott selbst nur in Rücksicht auf sich dient, um wieder dafür Schutz, Hilfe und Segen von ihm zu erhalten, um gleichsam von ihm zu fordern, daß er sich um jedes einzelne Lebensschicksal kümmern soll, der macht doch wieder sich zum Mittelpunkt des Alls. Wer aber die Größe und väterliche Güte Gottes so mit bewundernder Anbetung und mit tiefer Dankbarkeit in sein Gemüt aufgenommen hat, daß er alles von selbst zurückstößt, was nicht mit der reinsten und edelsten Gesinnung übereinstimmt wie der Gedanke, daß, was Pflicht und Tugend von ihm fordern, zugleich der Wille des Höchsten und die Forderung der von ihm gegründeten Weltordnung ist, der hat die
wahrhaft religiöse und gewiß tugendhafte Gesinnung. – – – –
    Ihrer fortgesetzten Lebenserzählung sehe ich, nach dem, was Sie mir sagen, in den nächsten Tagen mit großer Freude entgegen. Leben Sie herzlich wohl. Mit unveränderlicher, anteilvoller Anhänglichkeit der Ihrige. H.
     
     
Tegel
, den 10. September 1826.
     

    I ch habe, liebe Charlotte, Ihre Briefe, nebst dem mit Ungeduld erwarteten neuen Heft Ihrer Lebensgeschichte empfangen und danke Ihnen recht herzlich dafür. Es sind allerdings wenige Blätter, sie umfassen einen kurzen, aber inhaltreichen Zeitraum, aber ich habe sie nicht nur mit großem Interesse, sondern mit inniger Teilnahme gelesen.
    Sie hatten mir schon einmal gesagt, daß, als ich Sie in Pyrmont kennen lernte, Sie eigentlich schon versprochen waren, nur noch nicht öffentlich. Es fiel mir damals sehr auf. Ich hatte, wie wir uns sahen, keine Ahnung davon. Die Art, wie diese Verbindung sich anknüpfte, hat etwas ganz Eigenes und Sonderbares. – Allein, was man in solchen Fällen auch denken und sagen mag, es scheint allerdings, wie Sie sehr richtig bemerken, ein ewiges Verhängnis im Zusammenhang zu walten, worin niemand dem Schicksal entgehen kann, was ihn für seine höhere Bestimmung entwickeln soll, worauf es
doch eigentlich ankommt. Ich teile ganz Ihre Meinung, daß es nicht denkbar ist, daß die Vorsehung das, was wir Glück und Unglück nennen, einer Berücksichtigung würdige. So trostlos das auf den ersten Blick scheint, so erhebend ist es zugleich, einer höheren Ausbildung wert gehalten zu werden. Es ist in solchen Schicksalen, wie das Ihrige war und sehr früh begann, ein wunderbarer Zusammenhang. Auch wenn man nicht von andern gestoßen und getrieben wird, wenn man nicht einmal sich selbst recht deutlich machen kann, was einen innerlich stößt und treibt, nähert man sich doch einem Ziele, oder zieht eine Fügung über sich heran, von der man beinahe das Gefühl hat, es sei besser, man stieße sie zurück. Wirklich haben Sie auch weniger getan, sich in das Schicksal, das sich für Sie bereitete, zu verwickeln, als Sie nur sich haben aus Liebe zu Ihrer Freundin gehen lassen, und nicht entgegen gearbeitet. Es ist ungemein häufig der Fall, daß Verbindungen ohne alle Neigung, ja selbst gegen die Neigung, aus allerhand Gründen, mit Empfindungen eingegangen werden; die man oft garnicht in sich tadeln kann, die aber doch bei einem solchen Schritt nicht leitende sein sollten. In mir und nach meiner Weise kann ich mir das zwar wenig begreiflich machen. Mir wäre es durchaus unmöglich gewesen, auch nur den Gedanken einer solchen Verbindung zu fassen, wenn ich nicht wirklich die tiefe Überzeugung der
Empfindung gehabt hätte, daß die, mit der ich mich verbände, die einzige sei, mit der ich ein solches Band eingehen könnte. Der Gedanke der Ehe, selbst auf eine recht gute und verträgliche Weise mit gegenseitiger Achtung und Freundschaft geschlossen, aber ohne das tiefe und das ganze Wesen ergreifende Gefühl, das man gewöhnlich Liebe nennt, war mir immer zuwider, und es wäre meiner ganzen Natur entgegen gewesen, sie auf eine solche Weise zu schließen. Es ist zwar wahr, daß die so, wie ich es da von mir sage, geschlossenen Ehen die einzigen sind, in welchen

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