Brockmann Suzanne
die Schulter und ließ die Bombe platzen: „Ich will, dass du hinfährst.“
Bobby lachte. Nicht laut. Niemals würde er seinem besten Freund ins Gesicht lachen, wenn der zum überfürsorglichen Bruder mutierte. Aber innerlich lachte er nicht nur. Er krümmte sich auf dem Boden vor Lachen.
Äußerlich zog er nur eine Augenbraue fragend in die Höhe. „Nach Boston?“ Es war nicht wirklich eine Frage.
Wesley Skelly wusste, dass er diesmal sehr viel verlangte, aber er straffte die Schultern und schaute Bobby fest in die Augen. „Ja.“
Dummerweise wusste Wes nicht, wie viel er tatsächlich verlangte.
„Du erwartest von mir, dass ich mir freinehme und nach Boston fliege.“ Es machte Bobby keinen Spaß, seinen Freund so vorzuführen, aber er musste Wes einfach klarmachen, wie absurd sein Wunsch war. „Nur, weil Colleen und du euch wieder mal gestritten habt.“ Das war immer noch keine Frage, sondern eine gelassene Feststellung. Er ließ die Worte einfach nur in der Luft hängen.
„Nein, Bobby!“ Allmählich schlich sich Verzweiflung in Wes’ Stimme. „Du verstehst einfach nicht! Sie hat sich einer ehrenamtlichen Hilfsorganisation angeschlossen, lauter mitleidigen Seelen, die darauf brennen, Gutes zu tun. Und jetzt haben sie und ihre weichherzigen Freunde es sich in den Kopf gesetzt, ausgerechnet nach Tulgeria zu fliegen. Tulgeria, verdammt noch mal!“ Dem folgte ein impulsiver Strom absolut nicht druckreifer Flüche.
Und Bobby begriff endlich, warum Wes mehr als aufgebracht war. Es ging nicht um den hundertneunundneunzigsten lächerlichen Streit. Diesmal war die Sache ernst.
„Sie wollen Hilfe für Erdbebenopfer leisten“, fuhr Wes fort. „Ist das nicht allerliebst? Das ist wirklich großartig, habe ich ihr gesagt. Spiel ruhig Mutter Teresa, spiel Florence Nightingale, sei lieb und nett und hilfsbereit und sozial. Aber halt dich um Himmels willen fern von Tulgeria! Ausgerechnet Tulgeria – das schlimmste Terroristennest überhaupt!“
„Wes …“
„Ich habe versucht freizubekommen“, fuhr der fort. „Ich war gerade beim Captain. Aber da du noch nicht einsatzfähig bist und Harvard mit einer Lebensmittelvergiftung flachliegt, kann er nicht auf mich verzichten.“
„Okay, okay“, nickte Bobby. „Ich nehme den nächsten Flieger nach Boston.“
Wes war bereit, auf den aktuellen Einsatz der Alpha Squad zu verzichten. Dabei war das einer der Einsätze, denen er am meisten entgegenfieberte – bei dem eine Menge Sprengstoff explodieren würde. Und darauf wollte er verzichten, nur um nach Boston zu fliegen. Das bedeutete: Colleen hatte ihn nicht wie schon so oft einfach aufgezogen. Sie meinte es ernst. Sie wollte tatsächlich in einen Teil der Welt reisen, in dem selbst Bobby sich nicht sicher gefühlt hätte. Und er war keine hübsche, vollbusige, langbeinige – sehr langbeinige –, rothaarige und äußerst weibliche Jurastudentin im vierten Semester.
Eine Studentin mit großer Klappe, aufbrausendem Temperament und ausgeprägter Sturheit. Nein – Colleens Nachname war nicht umsonst Skelly.
Bobby fluchte leise. Wenn sie sich die Sache wirklich in den Kopf gesetzt hatte, dann würde es nicht leicht werden, ihr das Vorhaben auszureden.
„Danke, dass du das für mich tust“, sagte Wes. Gerade so, als hätte Bobby Colleen schon erfolgreich aus dem Flieger nach Tulgeria gelotst. „Also dann, ich muss los. Bin schon spät dran.“
Dafür schuldete Wes ihm einen Gefallen, aber das wusste er natürlich. Bobby musste ihm das nicht sagen.
Wes war schon fast aus der Tür, da drehte er sich noch mal um. „Hör mal, wenn du schon nach Boston fliegst …“
Aha, jetzt kam es. Colleen hatte vermutlich einen neuen Freund und … Bobby schüttelte schon den Kopf.
„… überprüf doch gleich mal diesen Rechtsanwalt, mit dem Colleen meiner Meinung nach ausgeht. Machst du das?“
„Nein“, antwortete Bobby.
Aber Wes war schon draußen.
Colleen Skelly saß in der Tinte.
Ganz gewaltig sogar.
Das war einfach nicht fair. Der Himmel war viel zu blau für solche Art von Ärger. Es war Juni, und in der Luft lag ein frischer süßer Duft, wie ihn nur ein Sommertag in Neuengland mit sich brachte.
Aber die Männer, die vor ihr standen, hatten ganz und gar nichts Süßes an sich. Und leider auch nichts, was es nur in Neuengland gab.
Ihr Hass war leider weltweit verbreitet.
Sie lächelte sie nicht an. Sie hatte es schon ein paar Mal mit Lächeln versucht, aber das hatte absolut nichts
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