Brockmann Suzanne
konnte Rios Gedanken offensichtlich genauso gut lesen wie die seines Kumpels Wes Skelly, denn er legte ihm kurz eine Hand auf die Schulter. Eine beruhigende Geste, bevor sie aus dem Wasser stiegen und sich an Bord der Yacht schlichen.
„Das verdammte Ding war beleuchtet wie ein Weihnachtsbaum, und es wimmelte nur so von Wachen“, fuhr Rio fort. „Sie waren alle gleich gekleidet und trugen diese niedlichen kleinen Uzis. Wahrscheinlich fand ihr Boss es einfach geil, so zu tun, als hätte er eine eigene kleine Armee. Aber das waren keine Soldaten, nicht einmal ansatzweise. Das waren einfach Straßenjungs in teuren Uniformen. Die hatten keinen blassen Schimmer davon, wie man Wache steht oder wonach man Ausschau halten muss. Ich schwöre euch, Jungs, wir sind einfach an denen vorbeimarschiert, und die hatten nicht die leiseste Ahnung, dass wir da waren! Dafür machten sie viel zu viel Lärm und wurden obendrein von der Festbeleuchtung der Yacht geblendet. Das Ganze war lächerlich einfach.“
„Wenn es so lächerlich einfach war“, fragte Mike Lee, „warum liegt Chief Taylor dann im Krankenhaus?“
Rio schüttelte den Kopf. „Dieser Teil der Geschichte war natürlich nicht witzig.“ Irgendwer an Bord der Yacht hatte beschlossen, die Party aufs Deck zu verlagern und ein mitternächtliches Bad im Meer zu nehmen. Also wurden Flutlichter eingeschaltet, um das Wasser zu beleuchten, und dann brach die Hölle los. „Aber bis zu dem Moment, in dem wir das Schiff wieder verlassen wollten, war das Ganze ein Kinderspiel. Ihr wisst doch, was Bobby und Wes können? Ihre telepathische Kommunikation?“
Thomas lächelte. „Oh ja, ich habe schon oft gesehen, wie sie einander anschauen und …“
„Diesmal nicht“, unterbrach Rio seinen Freund. „Ich meine, diesmal schauten sie einander nicht an. Jungs, ich sage euch, das war mehr als nur cool! Da war ein Wachtposten auf der Brücke, klar? Nur einer, sonst niemand. Bis auf ihn war die Brücke leer und dunkel. Kapitän und Mannschaft waren alle unter Deck. Wahrscheinlich dröhnten sie sich die Birne zu, so wie die Partygirls und die Gäste. Jedenfalls entdecken die beiden Chiefs diesen Wachtposten – und setzen ihn einfach so außer Gefecht, ohne dass er uns auch nur bemerkt, geschweige denn einen Laut von sich gibt. Gemeinsam. Das sah aus wie ein jahrelang eingeübter Tanz, aufgeführt in absoluter Perfektion. Ich sage euch, das war allerhöchster Kunstgenuss.“
„Die beiden arbeiten schon sehr lange zusammen“, warf Mike ein.
„Sie haben gemeinsam das BUD/S-Training durchlaufen“, ergänzte Thomas. „Sie waren von Anfang an Schwimmkumpel.“
„Diese Perfektion!“, schwärmte Rio und schüttelte bewundernd den Kopf. „Vollendete Perfektion! Ich nahm den Platz des Wachtpostens ein, für den Fall, dass jemand zur Brücke hochsah. In der Zwischenzeit machte Skelly den mechanischen Kompass unbrauchbar. Und Bobby knackte in etwa vier Sekunden den Navigationscomputer.“
Das war ebenfalls eine der unbegreiflichen Seiten an Bobby Taylor: Trotz seiner gewaltigen Pranken konnte er jede Computertastatur schneller bedienen, als Rio auch nur ansatzweise für möglich gehalten hätte. Außerdem brauchte er die Monitoranzeige nur durchzuscrollen und erfasste dabei blitzschnell alle relevanten Informationen.
„Er brauchte keine drei Minuten, um zu erledigen, was zu erledigen war“, fuhr Rio fort, „und dann waren wir auch schon wieder draußen. Hatten die Brücke verlassen. Lucky und Spaceman waren im Wasser und gaben uns Zeichen, dass die Luft rein war.“ Er schüttelte den Kopf bei dem Gedanken daran, wie nahe sie dran gewesen waren, lautlos und unbemerkt in die Nacht zu entschwinden. „Und dann strömten plötzlich all die süßen Bikinipuppen an Deck und liefen direkt auf uns zu. Wir hatten einfach unglaubliches Pech. Wären wir irgendwo anders auf dem Boot gewesen, hätten die Mädels uns das perfekte Ablenkungsmanöver geliefert. Wir wären völlig unsichtbar geblieben. Ich meine, welcher unerfahrene Wachtposten hält schon Ausschau nach unerwünschten Subjekten, die an Bord herumschleichen, wenn so viele Strandhäschen in String-Bikinis übers Deck hoppeln? Aber irgendwer beschloss, ausgerechnet auf der Steuerbordseite schwimmen zu gehen – genau dort, wo wir uns versteckt hielten. Das Flutlicht ging an, vermutlich nur, damit die Jungs an Bord mehr von den Mädchen im Wasser sehen konnten, aber peng – da waren wir. Im Scheinwerferlicht wie Stars auf dem
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