Brockmann Suzanne
PROLOG
E s war irre!“ Rio Rosetti schüttelte den Kopf. Die explosiven Ereignisse der vergangenen Nacht ließen ihn immer noch nicht los. „Einfach irre!“
Mike und Thomas saßen ihm in der Kantine gegenüber. Ihre Spiegeleier mit Speck waren vergessen und wurden langsam kalt, während die beiden gespannt darauf warteten, dass Rio fortfuhr.
Sie ließen es sich nicht anmerken, aber Rio wusste genau, dass sie vor Neid fast platzten, weil er dabei gewesen war – hautnah und mitten im Geschehen an der Seite zweier legendärer Chiefs der Alpha Squad: Bobby Taylor und Wes Skelly.
„Hey, Little E., schnapp dir deine Ausrüstung!“, hatte Chief Skelly ihn vor gerade mal sechs Stunden aufgefordert. War das wirklich erst sechs Stunden her? „Onkel Bobby und ich wollen dir zeigen, wie man es richtig macht.“
Zwillingsbrüder mit verschiedenen Müttern, so wurden Bobby und Wes oft genannt. Mit äußerst verschiedenen Müttern. Denn die beiden Männer waren zwar unzertrennlich, sahen sich aber kein bisschen ähnlich.
Chief Taylor war hochgewachsen und muskulös wie eine Raubkatze. Ganz sicher war Rio sich nicht – dort, wo Bobbys Kopf saß, wurde die Luft bestimmt schon recht dünn –, aber er vermutete, dass der Chief an die zwei Meter groß war. Seine Schultern waren so breit wie die eines Footballspielers, aber er bewegte sich bemerkenswert schnell und elegant. Im Grunde war es fast schon unheimlich, dass solch ein Schrank von einem Mann so geschmeidig war.
Nicht nur hinsichtlich der Körpergröße unterschied er sich von Wes Skelly. Der war eher durchschnittlich groß, etwa so wie Rio, ungefähr 1,78 Meter, und er war ähnlich drahtig gebaut.
In Bobbys Adern floss indianisches Blut, Navajo-Blut. Dieses Erbe zeigte sich in seinem eleganten, scharf geschnittenen Gesicht und seinem dunklen Teint, der in der Sonne einen warmen Ton annahm – nicht vergleichbar mit Rios leicht oliv getönter Sonnenbräune. Außerdem hatte der Chief lange, glatte schwarze Haare, die er zu einem langen Zopf geflochten trug, was ihm eine sehr mystische, sehr geheimnisvolle Aura verlieh.
Wes dagegen hatte irische Vorfahren und rotblonde Haare. Seine blauen Augen funkelten vor koboldhaftem Übermut. Kein Zweifel: Wenn Wes Skelly einen Raum betrat, kam Leben in die Bude. Er war ständig in Bewegung, wie eine Flipperkugel, und wenn er sich nicht bewegte, dann redete er. Er war witzig, rüde und laut, und seine Ungeduld grenzte schon an Taktlosigkeit.
Bobby dagegen war der König der Coolness, die Ruhe in Person. Er konnte vollkommen still dasitzen, ohne sich zu bewegen, und einfach nur zuschauen und zuhören. Das hielt er stundenlang durch, bevor er sich zu irgendetwas äußerte.
Aber so unterschiedlich die beiden auch aussahen und sich benahmen: Sie waren eins im Denken. Sie beendeten sogar die Sätze des anderen und kannten einander so gut, dass der eine immer genau wusste, was dem anderen gerade durch den Kopf ging.
Das war vermutlich auch der Grund, warum Bobby so wenig sagte: Er brauchte es nicht. Wes las seine Gedanken und redete für ihn – und das ohne Unterlass.
Wenn der große Chief allerdings doch mal etwas sagte, dann hörten die Männer zu. Sogar die Offiziere hörten auf ihn.
Rio natürlich erst recht: Er hatte schon früh während seiner SEAL-Ausbildung und lange, bevor er der legendären Alpha Squad von SEAL Team Ten zugeteilt wurde, gelernt, ganz besonders auf das zu achten, was Chief Bobby Taylor so von sich gab.
Bobby hatte zeitweilig als BUD/S-Ausbilder in Coronado gearbeitet und dabei Rio Rosetti, Mike Lee und Thomas King unter seine gewaltigen Fittiche genommen. Das hieß nicht, dass er sie verwöhnt hätte – ganz im Gegenteil. Dadurch, dass er sie zu den Besten einer Klasse hochintelligenter, selbstsicherer und entschlossener Männer erklärte, verlangte er ihnen sehr viel mehr ab als den anderen. Er hatte sie härter angetrieben, keine Entschuldigungen gelten lassen und nie weniger von ihnen erwartet, als dass sie ihr Bestes gaben. Immer und jedes Mal.
Und sie hatten alles getan, um seinen Ansprüchen gerecht zu werden, und sich damit die heiß begehrten Plätze im besten SEAL-Team der Navy erkämpft. Zweifellos unter anderem deshalb, weil auch Captain Joe Catalanotto wusste, dass es sich lohnte, auf Bobby zu hören.
Aber zurück zum Einsatz, der gerade mal sechs Stunden her war: Die Alpha Squad war angefordert worden, um ein Einsatzkommando der FInCOM zu unterstützen. Ein besonders unangenehmer
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