Brockmann Suzanne
in Ordnung. Ich habe ein Hotelzimmer. Diese Woche habe ich sozusagen Urlaub und …“
„Wo bleibt Wes denn?“, fiel sie ihm ins Wort, schirmte mit der Hand ihre Augen gegen die Sonne ab und schaute die belebte Straße hinunter. „Parkt er den Wagen in Kuwait?“
„Ähm …“, Bobby räusperte sich. „Ja.“
Sie sah ihn verdutzt an.
„Wes ist bei einem Einsatz“, erläuterte er. „Zwar nicht gerade in Kuwait, aber …“
„Er hat dich gebeten, nach Boston zu fliegen!“ Endlich hatte sie verstanden. „An seiner Stelle. Er hat dich gebeten, den großen Bruder zu spielen und mir Tulgeria auszureden, richtig? Ich glaub das einfach nicht. Und du spielst da mit? Du … du Mistkerl!“
„Colleen, beruhig dich! Er ist mein bester Freund. Und er macht sich Sorgen um dich.“
„Ach ja? Glaubst du, ich mache mir keine Sorgen um ihn? Oder um dich?“, fauchte sie zurück. „Komme ich deswegen etwa extra nach Kalifornien, um euch davon zu überzeugen, nicht länger euer Leben zu riskieren? Habe ich jemals gesagt, dass ihr euch eine andere Arbeit suchen sollt? Nein! Willst du wissen, warum? Weil ich euch respektiere. Weil ich eure Entscheidungen und eure Lebensweise respektiere.“
Pater Timothy und Shantel kamen aus der Kirchenküche. Sie trugen einen Riesenkrug mit Limonade und einen Stapel Pappbecher.
„Alles in Ordnung?“, fragte der Pater und musterte Bobby argwöhnisch.
Bobby streckte ihm seine Hand entgegen. „Ich bin Bobby Taylor, ein Freund von Colleen“, stellte er sich vor.
„Ein Freund meines Bruders“, korrigierte sie, während die beiden Männer sich die Hände schüttelten. „Er ist als Ersatzbruder hier. Pater, halten Sie sich die Ohren zu! Ich bin gerade dabei, ihm gegenüber extrem unhöflich zu werden.“
Timothy lachte. „Verstehe. Ich schau dann mal, ob die Kinder Limonade wollen.“
„Geh weg!“, wandte Colleen sich wieder an Bobby. „Flieg zurück nach Hause! Ich will keinen zweiten großen Bruder. Ich brauche keinen. Ich habe schon einen, und das ist mehr als ausreichend.“
Bobby schüttelte den Kopf. „Wes hat mich gebeten …“
Zum Teufel mit Wes! „Er hat dich bestimmt auch gebeten, meine Unterwäscheschublade zu durchwühlen“, fiel sie ihm ins Wort und senkte die Stimme. „Ich bin mir allerdings nicht sicher, was du ihm erzählen willst, wenn du meine Sammlung Peitschen und Ketten findest.“
Bobby sah sie mit undeutbarer Miene an.
Und während Colleen seinen Blick erwiderte, verlor sie für einen Moment den Boden unter den Füßen, versank in der unendlichen Dunkelheit seiner Augen.
Er schaute weg, ganz offensichtlich peinlich berührt. Und plötzlich wurde ihr schlagartig klar, dass ihr Bruder nicht da war.
Wes ist nicht da.
Bobby war ohne Wes in der Stadt. Und wenn sie ihre Schachzüge gut plante, konnten sich ohne Wes die Regeln des Spiels ändern, das sie seit einem Jahrzehnt spielten. Dramatisch ändern.
Großer Gott!
Sie räusperte sich. „Nun bist du schon mal hier, also … lass uns das Beste daraus machen. Wann geht dein Rückflug?“
Er lächelte kläglich. „Ich dachte, ich würde die ganze Woche brauchen, um dir die Sache auszureden.“
Die ganze Woche! Er blieb eine ganze Woche! Danke, lieber Gott, danke! „Du wirst mir nichts ausreden, aber bewahre ruhig die Hoffnung, wenn dir das hilft“, antwortete sie.
„Werde ich.“ Er lachte. „Es ist so schön, dich zu sehen, Colleen.“
„Es ist auch schön, dich zu sehen. Hmm, da du allein bist, reicht der Platz in meiner Wohnung vermutlich …“
Er lachte noch einmal. „Danke, aber ich halte das für keine gute Idee.“
„Warum willst du dein Geld für ein Hotelzimmer rausschmeißen?“, fragte sie. „Schließlich bist du praktisch mein Bruder.“
„Nein“, widersprach Bobby mit Nachdruck. „Das bin ich nicht.“
Irgendetwas an seinem Ton machte sie mutig und kühn. Colleen schaute ihn auf eine Weise an, wie sie es nie zuvor gewagt hatte. Sie ließ ihren Blick an seiner breiten Brust hinabwandern, bewunderte die straffen Muskeln, die schlanke Taille und die schmalen Hüften. Ihr Blick wanderte weiter abwärts an seinen Beinen entlang und dann langsam wieder nach oben. Einen Moment lang ließ sie ihn auf seinem Mund ruhen, auf seinen vollen, sanft geschwungenen Lippen, bevor sie ihm wieder in die Augen schaute.
Mit dieser unverfrorenen Musterung hatte sie ihm einen Schock versetzt. Gut so. Ganz gemäß dem Familienmotto der Skellys: Jeder braucht ab und zu einen
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