Bronzeschatten
ohne die Germanen aus den Augen zu lassen. »Sowie ich mit diesen Schoßhündchen fertig bin, kümmere ich mich um Sie.«
Pertinax wandte sich zum Ausgang. Aber Tullia war vor ihm dort. Die Angst vor ihm, den sie so glänzend betrogen hatte, schien ihr Flügel zu verleihen. Sie flitzte durch den Pförtnergang, vorbei an den beiden leeren Wächternischen und zog das mächtige, eisenbeschlagene Tor auf. Tullia war draußen – und herein polterte Milo.
Beim Anblick unseres humorlosen Monsters blieb Pertinax abrupt stehen und machte gleich darauf kehrt. Ich sah ihn zur Treppe rennen, war aber gefangen, hart bedrängt von einem halben Dutzend Keltenklingen, die zu parieren ich schon fast keine Kraft mehr hatte. Es war Curtius Gordianus, der Pertinax nachsetzte – eine plumpe, schwerfällige Gestalt, die freilich jetzt, angefeuert vom langgenährten Rachedurst, eine erstaunliche Behendigkeit an den Tag legte. Der Oberpriester hastete die Stufen hinauf und schwang das scharfe Messer, mit dem er das Lämmchen geopfert hatte.
Milo in seiner Begriffsstutzigkeit überlegte ernsthaft, was zu tun sei: mein idealer Bundesgenosse!
»Tun Sie mir einen Gefallen, Milo. Werfen Sie die Flöte weg und greifen Sie ein Schwert!«
Milo beschaffte sich das auf eine ebenso simple wie praktische Weise: Er packte den nächsten Söldner und rammte den bärenstarken Kerl so lange gegen die Wand, bis dem die Augen aus dem Kopf traten und er seine Waffe freiwillig fallenließ.
»Bravo, Milo! Nur weiter so!« keuchte ich, entwaffnete einen zweiten, dem ich mit solcher Gewalt ins Gemächt trat, daß er, falls er ein Frauenliebhaber war, noch lange zu leiden haben würde.
Jetzt konnten Milo und ich uns Rücken an Rücken von der Wand aus vorarbeiten. Die Gegner legten sich zwar desto grimmiger ins Zeug, aber zu zweit konnten wir sie besser in Schach halten. Als zwei von verschiedenen Richtungen her angriffen, duckten wir uns blitzschnell und ließen sie sich gegenseitig durchbohren.
Das rabiate Nahkampftraining ging schneller zu Ende als gedacht. Die beiden Germanen, die noch laufen konnten, bargen ihre Verwundeten. Die Toten warfen Milo und ich auf der anderen Straßenseite in die Gosse, so daß man sie für Opfer einer Schlägerei unter Betrunkenen halten würde.
»Sie sind getroffen, Falco!«
Noch spürte ich keinen Schmerz, aber die lange Schnittwunde in meiner linken Seite blutete heftig. Nach fünf Jahren als Privatermittler gab es zwar keinen Grund mehr, beim Anblick des eigenen Blutes in Ohnmacht zu fallen, aber gerade heute machte mir diese Verletzung einen Strich durch die Rechnung. Milo fand, ich müßte zum Arzt, doch ich schüttelte nur den Kopf.
Wir rannten ins Haus zurück und suchten Gordianus. Auf unser Rufen kam keine Antwort. Ich schloß das Tor ab und steckte den Schlüssel ein. Dann suchte ich den Hahn und drehte den Brunnen ab. Lähmende Stille legte sich über das leere Haus.
Mit gespitzten Ohren schlichen wir die Treppe hinauf. Nacheinander rissen wir alle Türen auf. Leere Salons und ungelüftete Schlafzimmer. Lückenlose Staubschichten auf geschnitzten Giebeln. Von der stickigen Luft benebelte Fliegen, die immer wieder gegen die getünchten Wände prallen.
Gordianus war im Eckzimmer am Ende des Korridors. Er hockte so zusammengesunken vor der marmornen Wandverkleidung, daß ich schon fürchtete, er sei tot. Doch nein: Die Verzweiflung hatte ihn übermannt.
»Ich hatte ihn – mit dem Messer – aber er schlug zu, und ich habe versagt …«
»Es ist nun einmal nicht dasselbe, ob man ein Opfertier am Altar tötet oder einem Menschen ans Leben will«, sagte ich tröstend. Äußerlich hatten Pertinax’ Schläge ihn nicht ernstlich verletzt, aber in seinem Alter forderten Schock und Anstrengung ihren Preis. Sein Atem ging so schwer und rasselnd, daß ich mir um sein Herz Sorgen machte.
Gemeinsam trugen Milo und ich ihn hinunter, und ich ließ die beiden hinaus. »Milo, bringen Sie ihn heim und sorgen Sie dafür, daß er ärztliche Pflege bekommt.«
»Ich komme zurück.«
»Nein. Was hier noch zu tun bleibt, geht nur mich etwas an.«
Milo legte mir einen Druckverband an, dann ging er mit seinem Herrn fort.
So hatte ich es gewollt: nur Pertinax und ich.
Als erstes verschloß ich wieder das Tor von innen. Pertinax hatte, als er noch hier wohnte, natürlich seinen eigenen Schlüssel gehabt, aber der würde ihm jetzt nichts mehr nützen. Wenn ich als Erbschaftsverwalter im Einsatz bin, wechsle ich als erstes
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