Bronzeschatten
ihren Namen gerufen hätte. (Womöglich hätte ich es sogar getan, aber Titus Cäsar pflegte Helena immer mit diesem abwägenden Blick zu betrachten, der mich in Alarmbereitschaft versetzte.)
Das Feld war weit auseinandergezogen, als es jetzt zum sechstenmal an der Richterloge vorbeizog. Die Zuschauer feuerten Ferox an, weil er doch bestimmt in der letzten Runde zum triumphalen Siegesspurt ansetzen würde. Als die Spitze die Zielpfosten umrundete, sagte mir mein Gefühl, daß es nie dazu kommen würde.
Die Pferde waren kaum mehr als eine halbe Runde vom Ziel entfernt – als ich, und mit mir das ganze Stadion, eine unerhörte Entdeckung machte: Mein Goldstück konnte laufen, als hätte seine Mutter es mit dem Wind gezeugt.
Sie kamen in gestrecktem Galopp auf uns zu. Noch hatte Goldschatz fast das ganze Feld vor sich, aber als er nun loslegte, bot sich uns ein unvergleichliches Schauspiel. Der Jockei hatte alle Hände voll zu tun, sich im Sattel zu halten, während dieser Trottel von einem Pferd fand, es sei nun an der Zeit, sein Talent unter Beweis zu stellen. Die Herzen der Zuschauer flogen ihm entgegen, obwohl die meisten mit jeder Länge Vorsprung, die er gewann, sauer verdientes Geld einbüßten. Er war das ewige Schlußlicht, die geborene Niete – und doch raste er jetzt so leichtfüßig am Feld vorbei, als sei das ein Sonntagsspaziergang.
Ferox ging als zweiter durchs Ziel. Goldschatz war der Sieger. Er führte mit drei Kopflängen.
Titus Cäsar klopfte mir auf die Schulter. »Falco! Was für ein herrliches Rennen! Sie sind bestimmt sehr stolz.«
Ich sagte ihm, daß ich mir bettelarm vorkäme.
Es dauerte Stunden, ehe ich mich endlich loseisen konnte. Titus entlohnte meinen Jockei mit einem Beutel Gold. Auch ich bekam ein Geschenk, aber meines war ein Fisch: Titus versprach mir einen Steinbutt.
»Ich weiß ja, Sie sind ein guter Esser …« Er hielt höflich besorgt inne. »Aber wird Ihr Koch auch wissen, wie man ihn zubereitet?«
»Oh, der Koch kann sich da ruhig freinehmen!« versicherte ich ihm fröhlich. »Meinen Steinbutt mache ich immer selbst …«
Mit Kümmelsauce.
Zwei Herrschaften machten den Reibach. Einer war Titus Cäsar, der sich als Erstgeborener eines großen Kaisers mit einem gewissen Recht als Liebling der Götter betrachten durfte. Der andere, und das werde ich ihm nie verzeihen, war mein heimtückischer, verschlagener Schwager Famia, der Pferdedoktor.
Die anderen amüsierten sich großartig. Ich mußte gute Miene zum bösen Spiel machen, denn wer weiß, ob ich noch einmal erleben würde, daß Leute sich darum rissen, meinen Wein zu zahlen. Leider mußte ich einen klaren Kopf behalten. Alles, was mir von diesem widerlichen Fest in Erinnerung geblieben ist, sind Famias besoffenes Gegröle und meine dreijährige Nichte, die mit Pertinax’ Wettmarken spielte, Tullias Geschenk an mich, das freilich vollkommen wertlos war. Marcia legte die beinernen Plättchen im Kreis um sich aus und steckte eins nach dem anderen in den Mund. Die Erwachsenen versuchten ihr vergeblich klarzumachen, daß das nichts zum Essen sei.
Sobald ich konnte, ging ich zu Gordianus.
»Oberpriester, im Laufe des Abends wird eine Schankkellnerin aus der Transtiberina Ihnen ein Dokument vorbeibringen. Daran sind zunächst noch ein paar Änderungen nötig.«
»Und um was handelt es sich?«
»Um einen Ehevertrag. Mit Empfehlung des Bräutigams. Er glaubt, seine Verlobte wolle ihn vor der Unterzeichnung noch einmal prüfen lassen. Morgen haben Sie und ich dann eine Verabredung mit Pertinax.«
»Wie das, Falco?«
»Wir richten eine Hochzeit aus«, sagte ich.
LXXXVII
Der Tag, an dem wir Pertinax verheirateten, war erfrischend klar, denn in der Nacht hatte es ausgiebig geregnet.
Meine erste Aufgabe bestand darin, zum Viehmarkt hinunterzuspringen und ein Schaf zu kaufen. Das billigste, das man den fünf Gottheiten des Ehebundes noch zumuten konnte, war ein geflecktes Kerlchen, das für religiöse Zwecke ganz brauchbar schien, auch wenn es für Lammbraten in Rotweinsauce recht kümmerlich gewesen wäre. Doch diesmal brauchten die Götter unser Opfer ohnehin nicht lange in dankbarer Erinnerung zu behalten.
Als nächstes erstand ich bei einem widerlichen Blumenhändler vor dem Castortempel ein paar angewelkte Kränze. Meine Schwester Maia borgte uns ihren Brautschleier. Maia hatte vor ihrer Hochzeit bei einem Tuchmacher den Webstuhl bedient; der Meister in der Werkstatt hatte eine Schwäche für unsere Maia,
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