Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel
tanzten. »Irgend jemand lügt hier, aber ich bin entschlossen, Licht in diese Angelegenheit zu bringen.« Er kämpfte seine Wut nieder, wandte sich wieder an den Jungen und fragte ihn mit sanfter Stimme: »Sieh noch einmal genau hin und sage mir: Bist du sicher, daß dies der Mann ist, den du gesehen hast? Wenn du irgendeinen Zweifel hast, dann sage es. Es ist kein Verbrechen, sich zu irren. Es könnte ja ein Mann gewesen sein, der diesem hier nur ähnlich sieht. Wenn du dir aber sicher bist, dann sage es ohne Furcht.«
»Ich bin sicher«, sagte der Junge, zitternd, aber standhaft. »Ich weiß, was ich gesehen habe.«
Der König lehnte sich in seinem hohen Stuhl zurück, ballte die Fäuste und überlegte. Er sah Hugh Beringar mit einem grimmigen Blick an: »Ausgerechnet in einem Augenblick, da ich unbehindert und schnell handeln muß, habt Ihr mir einen Mühlstein um den Hals gehängt. Was hier vorgefallen ist, kann ich unmöglich ungeschehen machen. Ich bin gezwungen, dieser Sache auf den Grund zu gehen. Dieser Fall muß entweder vor ein Gericht... aber nein, weder für Euch noch für irgend jemand anderen werde ich meinen Abmarsch übermorgen auch nur um einen Tag verschieben! Meine Pläne stehen fest – ich kann es mir nicht leisten, sie zu ändern.«
»Es braucht keinen Aufschub zu geben, Euer Gnaden«, warf Beringar ein, »wenn Ihr mit einem Gottesurteil einverstanden seid. Ich habe Adam Courcelle des Mordes angeklagt, und ich wiederhole diese Beschuldigung. Wenn er die Herausforderung annimmt, bin ich bereit, mit ihm zu kämpfen. Morgen schon kann die Entscheidung fallen, und übermorgen könnt Ihr ungehindert abmarschieren.«
Während Beringar sprach, hatte Bruder Cadfael Adam Courcelle nicht aus den Augen gelassen, und die Anzeichen wiedergewonnener Selbstsicherheit waren ihm nicht entgangen. Die Schweißperlen auf seiner Stirn waren verschwunden, die Verzweiflung in seinen Augen war blanker Berechnung gewichen. Er begann sogar zu lächeln. Da er nun in die Enge getrieben war und es nur zwei mögliche Auswege gab, nämlich entweder lange Untersuchungen und Verhöre oder aber einen einfachen Kampf, betrachtete er die letztere Möglichkeit als seine Rettung. Cadfael bemerkte den abschätzenden Blick, mit dem er Hugh Beringar von Kopf bis Fuß musterte, und konnte die Gedanken hinter diesen Augen lesen. Sein Gegner war jünger, leichter gebaut und einen halben Kopf kleiner als er, ein Mann, der sowohl unerfahren als auch übermäßig selbstsicher war – mit einem Wort: eine leichte Beute. Es dürfte keine Schwierigkeit sein, ihn aus der Welt zu schaffen, und dann hatte Courcelle nichts mehr zu befürchten.
Ein Gottesurteil würde gefällt sein, und niemand dürfte es wagen, danach noch mit dem Finger auf ihn zu zeigen. Aline würde dann immer noch erreichbar für ihn sein, und sein Rivale wäre ohne Schuld des fälschlich angeklagten Courcelle endgültig aus dem Weg geräumt. Nein, die Situation war gar nicht so aussichtslos. Im Gegenteil, es sah sehr günstig aus.
Er beugte sich über den Tisch, nahm den Topas auf und rollte ihn verächtlich Beringar zu.
»Gebt Eure Einwilligung, Euer Gnaden. Ich bin mit einem Kampf morgen einverstanden, und Ihr werdet am folgenden Tag abmarschieren können.« Seine selbstsichere Miene drückte aus, daß er damit rechnete, unter den Begleitern des Königs zu sein.
»So sei es denn!« verkündete der König mit finsterer Entschlossenheit. »Da Ihr es zwischen Euch ausgemacht habt, mich eines guten Mannes zu berauben, gebe ich mich damit zufrieden, den Besseren zu behalten. Morgen also, um neun Uhr, nach der Messe. Nicht hier in der Burg, sondern auf offenem Feld – die Wiese vor der Stadt, zwischen der Straße und dem Fluß, eignet sich am besten. Prestcote, Ihr und Willem werdet den Kampfplatz vorbereiten. Und es werden keine Pferde aufs Spiel gesetzt«, sagte er aus einer praktischen Erwägung heraus. »Ihr werdet zu Fuß mit dem Schwert kämpfen!«
Hugh Beringar machte eine zustimmende Verbeugung.
Courcelle sagte: »Einverstanden!« und lächelte.
»A l’outrance !« befahl der König und erhob sich vom Tisch, um das durch den Streit vergällte Festbankett zu beenden.
Kapitel XII
Auf dem Rückweg durch die Straßen der Stadt lenkte Hugh Beringar sein grobknochiges Pferd neben Bruder Cadfael und ließ es eine Weile im Schritt gehen, ohne Bruder Jerome, der sich in Hörweite befand und aufmerksam die Ohren spitzte, auch nur im geringsten zu beachten. Vor ihnen
Weitere Kostenlose Bücher