Bruder Cadfaels Buße
vor der Schwelle des Chors am Boden lag.
Er verhielt den Schritt und ließ das Bild eine ganze Weile auf sich wirken. Dann trat er vor und sah mit gefaßtem und ernstem Blick auf den Mann nieder. Die Stoppeln seiner Tonsur waren stachlig wie Dornen; sie mußte dringend nachrasiert werden, und sein braunes Haar war länger, als es sich gehörte. Fast wollte es dem Abt scheinen, als sei auch mehr Grau darin als beim vorigen Mal, da er das jetzt so entschlossen vor ihm verborgene Gesicht gesehen hatte.
»Du kommst spät«, sagte er ohne Betonung. Es war eine Feststellung, in der weder Billigung noch Zurückweisung lag. Nach einer Weile nahm er den Satz wieder auf: »Du kommst spät. Die Nachrichten sind vor dir eingetroffen. Die Welt hört nicht auf, sich zu verändern.«
Cadfael wandte den Kopf, die Wange auf den Stein gelegt, und sagte nur das Wort »Vater!« - ohne etwas zu verlangen, etwas zu versprechen oder zu bereuen.
»Jemand, der einen oder zwei Tage vor dir geritten ist«, sagte Radulfus nachdenklich, »hatte wohl besseres Wetter und konnte unterwegs die Pferde wechseln, so oft es ihm nötig erschien. Wovon Hugh in der Burg Kenntnis erhält, teilt er mir mit. Der Graf von Gloucester und sein jüngerer Sohn haben sich also ausgesöhnt. Männer, denen im Kampf Gefahren drohten, sind verschont geblieben.
Wenn wir schon keinen Frieden haben können, bedeutet eine jede solcher Wohltaten zumindest einen Vorgeschmack der göttlichen Gnade.« Seine Stimme klang leise, er sprach gemessen und nachdenklich. Bisher hatte Cadfael nicht den Blick gehoben, um ihn anzusehen. »Philip FitzRobert hat sich auf dem Krankenlager vom Zwist zwischen König und Kaiserin losgesagt«, fuhr der Abt fort, »und das Kreuz genommen.«
Cadfael atmete tief ein und erinnerte sich. Das war ein Weg, den man gehen konnte, wenn man an den Fürsten dieser Welt verzweifelte. Zwar würde Philip merken, daß jene Fürsten mit der Sache des Christentums ebenso umsprangen wie mit der Sache Englands. Umso erstrebenswerter aber waren Ordnung und Ruhe innerhalb des Klosters, wo die Schlacht zwischen Himmel und Hölle mit den Waffen des Geistes und der Seele ohne Blutvergießen geschlagen wurde.
»Es ist genug!« sagte Abt Radulfus. »Erhebe dich und trete mit deinen Brüdern in den Chor.«
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