Im Papierschiff bis nach Irland (German Edition)
Vorwor t
Die
meisten meiner Geschichten haben Sie selber schon erlebt. Oder Sie hätten sie
erleben können. Genau so oder zumindest so ähnlich. Ich habe sie auch erlebt.
Nicht genau so, nur so ähnlich. Manchmal waren Übertreibungen beim Erzählen
unvermeidlich. Ab und zu musste ich etwas weglassen. Öfter passte ein erfundenes
Detail so prima, dass ich es einbauen musste. Hin und wieder erzähle ich die
Geschichte eines Freundes, als ob ich sie selber erlebt hätte. Aber das macht
nichts, denn ich will nicht zwingend die Wahrheit erzählen.
Wahr
ist, dass ich verheiratet bin und dass wir zwei Kinder haben. Wahr ist, dass
mich meine Familie beim Schreiben unterstützt, ja, ab und zu fordert sie
förmlich über das eine oder andere Vorkommnis eine neue Geschichte. Wahr ist,
dass wir eine glückliche Familie sind, das lesen Sie überall zwischen den
Zeilen.
Um
weiterhin der Wahrheit die Ehre zu geben: Meine Schulnoten in Deutsch waren nur
durchschnittlich, meine Rechtschreibung halte ich für eher schwach – besonders
nach diversen Rechtschreibreformen, die die Regeln, die ich mir mühsam über die
Jahre hinweg hatte merken können, über den Haufen warfen. Meine Handschrift war
eine Katastrophe – nahezu unleserlich für jeden Lehrer. Das Schreiben am
Computer mit zehn Fingern beherrsche ich nicht. Ich habe keine Kurse oder
Seminare für angehende Schriftsteller besucht. Zwar habe ich studiert, nicht
jedoch Germanistik. Kurzum, ich bringe keinerlei Qualifikation zum Schreiben
mit – außer einer: Ich habe Spaß beim Schreiben und wünsche mir, dass Sie Spaß
beim Lesen haben.
Meine
erste Geschichte, das Papierschiffchen, entstand vor acht Jahren. Der Kern
dieser Geschichte ist wahr, wurde von mir aber ausgeschmückt und fantasievoll
angereichert. Ich gab sie am Folgetag der in der Geschichte beschriebenen
Ereignisse meinem Sohn mit in die Schule als „Geschenk“ für die Lehrerin, der
ich vor Augen führen wollte, wie schwer die Hausaufgaben der Kinder für die
Mütter sind. Diese Lehrerin war derartig angetan von meiner Geschichte, dass
sie mich mit ihrer Begeisterung motivierte, weitere zu schreiben. Verwandte,
Freunde und Bekannte haben mich ermutigt, diese in einem Buch zu
veröffentlichen. Zuletzt hat Lara Soza ein passendes Titelbild für mein Buch
gemalt.
Ich
freue mich, dass ich im Zeitalter von E-Books ganz unkompliziert diese
Geschichten mit vielen Menschen teilen kann.
Danke
an alle, die mir auf die eine oder andere Art geholfen haben.
Gabriele Kowitz
Kevelaer, März 2013
Papierschiffchen
Donnerstag,
9. Dezember, ca. 13.45 Uhr, mein Sohn kommt aus der Schule (drittes Schuljahr -
Grundschule) nach Hause. „Mama, ich habe Hunger!“ Was macht die brave Mama? Sie
geht in die Küche. „Wir kochen heute Abend, wenn Papa auch zu Hause ist. Was
magst du jetzt haben?“, frage ich vor dem Kühlschrank stehend zurück. Mein Sohn
möchte Brot und Nachtisch. Nach vier Scheiben Brot und Toast sowie zwei
Portionen Kompott komme ich dazu, ihn zu fragen, wie es in der Schule war. „Wir
haben Schachteln und Schiffe gemacht. Die hab‘ ich mitgebracht.“ Das muss ich
mir gleich anschauen. Tatsächlich! Ich bin erstaunt, wie relativ unbeschadet
die gefalteten Quadrate und Rechtecke den Transport in der engen Schultasche
überstanden haben. So gegen 14.30 Uhr besprechen mein Sohn und ich sein
Nachmittagsprogramm: Hausaufgaben machen, von 16.30 Uhr bis 17.30 Uhr
Fußballtraining, danach Freizeit bis zum Abendessen. Leo ist einverstanden. Er
beginnt mit „Schreiben – Arbeitsblatt“. Er fängt an, das Arbeitsblatt
auszufüllen. Ich lese weiter im Hausaufgabenheft: „Mathe – Schachtel, Hut,
Schiff“. An dieser Stelle beginnt mein Nachmittagsprogramm. Meine kleine
Tochter, noch im Kindergartenalter, ruft sofort: „Ich will einen Hut haben.
Einen Hut für Julia!“ Außerdem braucht sie selbstverständlich auch ein Schiff.
Ich gehe an den Bastelschrank und suche das bunte DIN A4 Papier heraus. Nachdem
sich meine Tochter für rot entschieden hat (welches Kind nimmt nicht rot?)
frage ich Leo, wie das Schiff gefaltet wird. „Das weiß ich nicht mehr so genau.
Frau Manz (Andrea Manz – die Mathelehrerin) hat es vorgemacht. Mir hat sie
nachher etwas geholfen.“ Oh nein! Etwas geholfen. Bei meinem Sohn kann man,
wenn es ums Basteln geht, nicht etwas helfen, da muss man ganz viel helfen.
„Ich weiß aber noch, dass wir ein Rechteck brauchen, kein Quadrat. Dann musst
du es zweimal in der Mitte
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