Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)
marokkanische Ben Baggermann? Oder doch eher ihr, die Orientalen, und ich, die große Blonde…?
Ich versuchte, ihr aus dem Fettnäpfchen zu helfen. »Sie müssen mir Ihren Autor nicht erklären. Ich möchte nur wissen, was er macht und kann oder nicht kann, die Gründe sind mir ziemlich egal.«
»Ich wollte nur nicht, dass Sie denken, dass er…«
»Lästig ist?«
»Nun… nein… ja, das wollte ich ganz bestimmt nicht.«
»Machen Sie sich keine Sorgen. Außerdem: Mich wird er ja in Ruhe lassen. Welche Sprachen spricht er?«
»Ähm…« Sie wollte noch etwas zu ihrem Autor sagen, ließ es dann aber bleiben. »Arabisch natürlich, Französisch und Deutsch. Er hat in Berlin studiert und verbringt dort immer noch regelmäßig einige Monate im Jahr. Übrigens… Er hat Sie ausgesucht.«
»Er hat mich ausgesucht?«
»Nun, wir haben ihm eine Liste sämtlicher Frankfurter Personenschutz-Agenturen vorgelegt, und er meinte, es würde seinem Bild in der Öffentlichkeit helfen, wenn sein Leibwächter Moslem wäre. Das sind Sie doch?«
»Na ja.« Ich machte eine vage Geste. »Meine Eltern waren es. Meine leiblichen Eltern. Sie sind früh gestorben, und ich bin als Adoptivkind bei einem deutschen Ehepaar aufgewachsen. Ich nehme an, sie waren getauft, aber Religion hat bei uns keine Rolle gespielt.«
Katja Lipschitz zögerte.
»Aber… Verzeihen Sie, dass ich frage, es wäre für eine eventuelle Zusammenarbeit vermutlich nicht ganz unwichtig: Wie sehen Sie sich denn? Ich meine, sind Sie irgendwie religiös?«
Ich schüttelte den Kopf. »Keine Religion, keine Sternzeichen, keine warmen Steine oder Glückszahlen. Wenn ich Halt brauche, nehme ich mir ein Bier.«
»Ah.« Sie schaute verwirrt, leicht abgestoßen.
»Tut mir leid, mit Glauben kann ich nicht dienen. Aber das ist für das Bild Ihres Autors in der Öffentlichkeit völlig unerheblich. Ich heiße Kayankaya und sehe so aus, wie ich aussehe. Ich weiß nicht, wie muslimisch ich nach religiösem Recht bin, aber fragen Sie irgendeinen meiner Nachbarn, er wird es Ihnen sagen können.«
»Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich das so an unseren Autor weitergebe?«
»Überhaupt nicht. Er hat mich also ausgesucht. War es seine Idee, einen Leibwächter zu engagieren? Stammt vielleicht auch die Information, dass sein Buch in der arabischen Welt für Aufregung sorgt, vor allem von ihm?«
Katja Lipschitz’ Blick verharrte einen Moment auf meinen Augen. Dabei sah sie nicht meine Augen, sondern irgendwas dahinter – ihren Chef, einen wütenden Ben Baggermann oder die Zeitungsmeldung: Marokkanischer Autor erfindet Opferrolle, um Buchverkauf anzukurbeln.
»Das ist Unsinn«, sagte sie schließlich, aber es klang nicht völlig überzeugt.
»Na, dann ist ja gut. Seit Gregory bin ich ein bisschen misstrauisch, verstehen Sie. Wie heißt Ihr Autor denn nun eigentlich? Inzwischen finde ich seinen Namen sowieso: Maier Verlag, Marokko, schwuler Kommissar – so viele Treffer wird’s da bei Google kaum geben. Und dann kann ich mich von der Aufregung in der arabischen Welt selber überzeugen.«
»Malik Rashid. Ich zeige Ihnen gerne die Drohbriefe.«
»Auf Arabisch?«
»Wir werden sie natürlich übersetzen lassen. Falls wir zur Veröffentlichung gezwungen sind oder uns an die Polizei wenden müssen.«
»Falls Sie mich engagieren, würde ich die Briefe tatsächlich gerne sehen.«
Ich sah auf die Uhr, es war kurz nach zwölf. Ich hatte mir vorgenommen, Marieke zum Mittagessen nach Hause zurückzubringen. Einerseits gehörte die schnellstmögliche Erledigung eines Auftrags natürlich zum Service, andererseits gefiel mir die Vorstellung, Valerie de Chavannes mit rascher, unkomplizierter Hilfe zu beeindrucken.
»Wann geht die Buchmesse los?«
»Nächsten Mittwoch. Malik kommt am Freitag und bleibt bis Montag.«
»Übernachtet er im Hotel?«
»Im ›Harmonia‹ in Niederrad.«
»Keine sehr heitere Gegend.«
»Wir sind froh, überhaupt Hotelzimmer zu haben. Sie wissen das vielleicht nicht, aber während der Buchmesse ist Frankfurt völlig ausgebucht.«
»Ich frage mich nur, wie Rashids Abende aussehen werden. Nach Niederrad fährt man nicht gerne früh nach Hause.«
»Er hat an allen drei Abenden zu tun – Essen mit dem Verleger, eine Lesung, eine Podiumsdiskussion – und wird danach erschöpft ins Bett wollen.«
»Trinkt er Alkohol?«
»Er behauptet, nein, aus religiösen Gründen, aber ehrlich gesagt… Also, ich habe ihn mindestens einmal erlebt, da erschien mir sein
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