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Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Titel: Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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Sonne. Dann sah ich Marieke. Sie saß auf einem mit weißer, glänzender Satinwäsche bezogenen Kingsize-Bett nackt gegen die Kissen gelehnt, hielt die Beine eng umschlungen gegen ihren Körper gepresst und war von Kopf bis Fuß mit Erbrochenem vollgeschmiert. Geriebene Karotten, Tomatenstückchen, halbe Nudeln. Wegen des geschlossenen Fensters war der säuerliche Gestank, der von dem Bett aufstieg, überwältigend.
    Obwohl sie ganz offensichtlich vor Angst zitterte, zeigte sie mir ein böses, herausforderndes, krankes Grinsen.
    »Noch einer?! Ich fass es nicht! Na, komm schon! Hab mich ein bisschen zurechtgemacht. Ich hoffe, die Kotze stört dich nicht. Möchtest du sie mir ablecken? Macht dich das geil?«
    Ihr Bauch hob und senkte sich schnell, wie bei einem Hund. Ihr harter, fiebriger Blick sagte: Wenn ich irgendwie kann, bring ich dich um.
    »Hören Sie, ich bin nicht…«
    »Hier, bisschen Nudeln?!«
    »Ich will nichts von Ihnen. Ich bin gekommen, um Sie hier rauszuholen.«
    »Ach ja?! Wohin willst du mich verschleppen, du Schwein?!«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin von der Polizei. Paolo Magelli, zivile Spezialeinheit. Wir sind schon seit längerem hinter Abakay her. Tut mir leid, dass wir erst so spät eingetroffen sind. Haben Sie irgendwelche Verletzungen?«
    Ihr Blick blieb hart, und sie ließ mich keine Sekunde aus den Augen, aber langsam schwand das Fiebrige und machte Misstrauen Platz. Dabei sanken ihre verschränkten Arme kaum merklich herab, die Spannung in ihrem Körper ließ nach.
    »Zeigen Sie mir Ihren Ausweis.«
    »Tut mir leid, es musste schnell gehen, ich hab meine Jacke im Auto gelassen. Ich zeige Ihnen meinen Ausweis gerne, wenn wir unten sind.«
    »Wir gehen runter auf die Straße?«
    »Natürlich. Ich bringe Sie jetzt nach Hause zu Ihren Eltern oder wo immer Sie wohnen.«
    »Wo ist Erden?«
    »Er liegt vorne im Flur. Ohnmächtig. Wir mussten ihm eine verpassen.«
    »Und das dicke Schwein?«
    »Liegt daneben.«
    Marieke starrte mich noch eine Weile an, dann nahm sie die Arme auseinander, begann ihre vor lauter Anspannung vermutlich tauben Hände zu massieren und sah an sich herab.
    »Ich hätte gerne ein Glas Wasser. Mein Hals ist von der Kotzerei ganz kaputt.«
    »Haben die Ihnen irgendwelche Drogen gegeben, oder…«
    »Nein, nein, ich hab mir den Finger in den Hals gesteckt. Ich dachte, das törnt ihn vielleicht ab.«
    »Warten Sie.«
    Ich ging in die Küche und holte ein Glas Leitungswasser. Einen Moment horchte ich, ob Marieke die Gelegenheit nutzte, um zu flüchten. Doch als ich zurückkam saß sie immer noch auf dem Bett, inzwischen die Bettdecke um den Körper geschlungen. Erst jetzt bemerkte ich, dass ihre Lippen geschwollen waren.
    Sie trank das Glas leer und sagte: »Danke.«
    »Möchten Sie vielleicht gerne duschen, bevor wir gehen?«
    Erneut flackerte kurz Misstrauen in ihren Augen auf. War das vielleicht doch nur ein Trick? Wollte ich sie einfach nur sauber und wohlriechend kriegen, um dann endlich loszulegen?
    »Wir können auch so gehen. Ich dachte nur… Na ja, damit Sie das hier vielleicht ein bisschen vergessen können.«
    »Das vergess ich nicht.«
    »Natürlich nicht….« Ich zögerte. »Darf ich Ihnen schnell ein paar Fragen stellen?«
    Sie blickte mich ausdruckslos an, dann sah sie weg zum Fenster. »Okay, und dann würde ich doch gerne duschen.«
    »Na klar.« Ich ging zum Fenster, um es zu öffnen und frische Luft reinzulassen. Als ich nach dem Griff langte, sagte Marieke: »Vergessen Sie’s.«
    Das Fenster war eine Spezialanfertigung: schalldichtes Panzerglas, von außen verspiegelt, mit einem Sicherheitsschloss. Ich rüttelte vergeblich am Griff.
    »Was glauben Sie, warum die mich hier allein lassen konnten?«
    Ich versuchte, den Gestank zu ignorieren.
    »Wenn Sie mir erst mal Ihren Namen sagen könnten.«
    »Marieke de Chavannes.«
    »Seit wann sind Sie hier eingesperrt, Frau de Chavannes?«
    »Seit vorhin, als der Dicke auf mich losging.«
    »Nach Ihren geschwollenen Lippen zu schließen, haben Sie sich gewehrt.«
    »Ja.«
    »Und dann?«
    »Dann war Erden plötzlich wieder ganz normal und hat gesagt, er holt was zum Entspannen. Danach haben sie mich eingeschlossen.«
    »Wann haben Sie begriffen, was die mit Ihnen vorhaben?«
    Sie wandte den Blick ab, zog sich die Decke enger um die Schultern. Nach einer Weile sagte sie: »Als das dicke Schwein mich so komisch angelächelt hat. Ich hab versucht abzuhauen… Da habe ich noch gedacht, es sei nur ein Versuch,

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