Bruderherz. Eine ägyptische Liebe. (German Edition)
lachte spöttisch. »Immer noch der Alte. Versuch es doch mal mit einer Frau, Hagen!«
»Versuch’s doch mal mit einem Mann!«, gab ich tollkühn zurück. Ich konnte nicht anders.
Er sah mich einen Moment lang fast nachdenklich an, bevor er sagte: »Wenn – dann nicht mit einem Blutsverwandten!«
Der Satz traf mich unvorbereitet und wehrlos. Schlagartig stiegen grausige Visionen vor mir auf: Ascan nackt, umringt von fremden Männern, die aus allen Körperöffnungen tropften vor Geilheit; Ascan als williges Opfer, gefesselt im Sling hängend, begattet von einem riesigen Kerl mit gigantischem Geschlechtsteil …
Ich stand ruckartig auf. Mein Weinglas fiel um. Die blutrote Flüssigkeit ergoss sich über das schneeweiße Tafeltuch. Ich achtete kaum darauf. Ich beugte mich über den Tisch zu meinem Bruder hinüber und brüllte wie ein waidwunder Hirsch: »Das ... das würdest du tun? Zu einem fremden Kerl ins Bett steigen?«
Ascan stand auf und ging wortlos zur Tür.
Vorbei! Aus! Ich war ein Idiot, ein gottverdammter Trottel! Meine Hände krampften sich zusammen und fassten die Tischdecke. Ich riss sie hoch; Schüsseln, Teller, Gläser und Besteck klirrten zu Boden. Essensreste mischten sich mit Porzellanscherben und Rotwein auf dem Teppich.
Ich stürzte Ascan nach und packte ihn am Arm.
»Bleib!«, krächzte ich heiser.
»Du bist völlig daneben, du ewiger Choleriker«, bemerkte er kalt. Seine wunderbaren Lippen zuckten leicht angewidert. »Hattest du dir vorher schon Mut angetrunken?«
»Bleib hier, bitte!« Ich flehte jetzt.
»Leb wohl!«, gab er kühl zurück, schüttelte meine Hand von seinem Arm ab und ergriff die Türklinke.
Da explodierte es in der Wohnung. Nicht laut, es explodierte sacht. Dann war ein Rauschen zu hören.
»Was war das?« Plötzlich ernüchtert, lief ich in den Flur. Ascan folgte mir zögernd.
In der Küche schlugen helle Flammen bis zur Decke. Gardinen und Schränke brannten, das Feuer fraß sich über den Dielenboden auf den Korridor zu.
»Raus!«, schrie ich, riss Ascan jedoch ins Zimmer hinein und suchte das Telefon. Es war zu gefährlich, die Wohnung durch das Treppenhaus zu verlassen, jeden Moment konnte das Gebäude in die Luft fliegen. Ich zerrte Ascan am Sakko zur Balkontür und zog das Telefon dabei an der langen Schnur mit. Eins eins zwei, Feuerwehr.
»Gas! Die Gasheizung brennt!«, brüllte ich in den Hörer. Sie wollten meinen Namen wissen, meine Adresse. Mühsam bekam ich das noch zusammen.
»Wir kommen sofort«, informierte mich eine gelassene Stimme.
»Über den Balkon! Schnell!« Ich riss die Balkontür auf.
Ascan starrte mich erschrocken an. »Bist du wahnsinnig?«
Vom Flur her hörte ich die Flammen gierig aufbrausen durch den frischen Sauerstoff, der ihnen zuströmte.
»Komm! Hier rechts ist es nicht so tief.« Ich kletterte über das Geländer, dort, wo die leicht ansteigende Straße am nächsten war. Unter meiner Wohnung gab es nur das Souterrain. »Ich springe zuerst und fang dich auf.«
Ich ließ mich außen vom Balkongeländer hängen und sprang ins Dunkle, auf den granitgepflasterten Gehweg hinab. Nur drei Meter etwa, noch zu schaffen, ohne sich die Knochen zu brechen.
»Ich bin unten. Komm! Schnell!«
Ascan kletterte ebenfalls über die Brüstung und ließ sich in meine Arme fallen.
Ich gab meine Wohnung, meine Jugendstil-Einrichtung, die Erstausgaben von Lepsius und Champollion und meine Sammlung ägyptischer Skarabäen, all das und noch viel mehr mit Freuden hin für diesen Moment: Mein Bruder lag in meinen Armen! Erschauernd vor Glück hielt ich ihn fest, spürte die Wärme seines Körpers und legte meine Wange an sein duftendes Gesicht.
Gib dein Gesicht herein. Lass
weich sein dein Herz in jener Süße …
»Die Feuerwehr kommt«, sagte er und schob mich beiseite.
Der Klang des Martinshorns drang durch die Nacht in mein Ohr wie ein Beilhieb in lebendes Fleisch. Ein ganzer Zug – Löschwagen, Gerätewagen, Schlauchwagen, Leiterwagen, Krankenwagen und der Pkw des Oberbrandmeisters. Gasbrand! Höchste Alarmstufe!
Uniformierte Männer sprangen aus dem Löschzug, die blaubleichen Blitze der Rundumlichter erleuchteten die Szene geisterhaft. Mit Handlöschgeräten drangen die Ersten furchtlos ins Haus ein. Andere öffneten den Hydrantendeckel auf der Straße, wieder andere rollten die Wasserschläuche aus, drehten die Leitern hinauf. Die ritterlichen Helme funkelten im Scheinwerferlicht, an den Gürteln schimmerten die Feueräxte.
Dann war
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