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Bruderherz

Titel: Bruderherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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vom Fahrersitz aus den Kofferraum und ich stopfte den Sack hinein.
    »Wo zum Teufel willst du hin?«, fragte er gut gelaunt, während wir langsam die Einfahrt hinabrollten. Vor drei Stunden hatte ich ihn angerufen und ihm gesagt, dass ich zum Flughafen müsse. Ich hatte ihn gebeten, mich um 10 Uhr 30 abzuholen, und aufgelegt, bevor er nachfragen konnte.
    »Muss ‘ne Weile weg«, sagte ich.
    »Wohin? Du hast ganz schön schweres Gepäck mit.« Er lächelte. Ich konnte es an seiner Stimme hören, während ich im Außenspiegel beobachtete, wie mein Haus langsam aus dem Blickfeld schwand.
    »Einfach weg«, erwiderte ich.
    »Bist du absichtlich so vage?« Schweißperlen sammelten sich auf seinem unrasierten Gesicht und er fuhr sich mit den Fingern durch das kurze graue Haar. Er schaute zu mir herüber und erwartete eine Antwort, während sich der Regen nun in Strömen aus dem kohlschwarzen Himmel ergoss und in der Ferne Donner grollte. »Andy, was ist los?«
    »Nichts. Ich habe meinen Roman fertig. Ich bin müde. Ich brauche eine Pause, du weißt doch, wie das ist.« Walter seufzte nur. Ich starrte aus dem Fenster, an dem die Bäume vorbeirauschten, und lauschte dem auf die Windschutzscheibe prasselnden Regen. Walters Frau Beth hatte vor kurzem dieses Auto benutzt. Ich konnte ihre Bodylotion riechen – süßes Zedernholz. Ihre rosa Nagelpfeile lag auf der Matte zu meinen Füßen.
    »Du fährst wieder nach Aruba?«, fragte er.
    »Nein.« Ich wollte ihn nicht direkt anlügen.
    »Ich nehme an, dass du Cynthia auch nicht mehr erzählst.« Ich schüttelte den Kopf. »Sie wird völlig durchdrehen, jetzt, wo dein Buch rauskommt.«
    »Deshalb habe ich ihr gar nichts gesagt. Sie ist streng wie ein General. Ruf sie bitte heute Abend zu Hause an – würdest du das für mich tun? Sag ihr, du solltest ihr ausrichten, ich sei vom Schreiben ausgelaugt und bräuchte etwas Abstand und sie solle sich keine Sorgen machen.«
    »Und wenn sie mich fragt, wohin du verreist bist?«
    »Sag ihr, du wüsstest auch nur, dass es sich um eine kleine Insel im Südpazifik handelt.«
    »Sie wird denken, ich lüge.«
    »Das ist ihr Problem. Sie ist schließlich nicht deine Agentin.«
    »Komm, sag mir doch, was los ist…«
    »Bitte frag nicht, Walter.«
    Es schüttete immer noch, als wir in Richtung Süden auf die I-77 fuhren. Ich schloss die Augen und atmete vorsichtig ein, denn mein Herz schlug so heftig, als hätte ich einen doppelten Espresso in einem Zug runtergekippt. Am liebsten würde ich umdrehen. Die Lesereise, abschalten können in meinem gemütlichen Haus, während die Landschaft um den See herum sommerlich erblüht, so hatte ich mir den kommenden Monat eigentlich vorgestellt.
    »Ruf mich an«, sagte Walter. »Oder schreib mir. Lass mich einfach wissen, dass es dir gut geht.«
    »Wenn ich es schaffe.«
    »Soll ich nach deiner Post sehen und mich um die Rechnungen kümmern?«
    »Ja. Darum wollte ich dich noch bitten.«
    »Du machst mir Angst, Andy«, meinte er.
    Das Quietschen der Scheibenwischer und das Dröhnen des Motors wurden ohrenbetäubend. Ich spielte am automatischen Fensteröffner herum und drückte erfolglos mit dem Mittelfinger auf den winzigen Knopf. Die Kindersicherung war eingeschaltet.
    Die winzige Skyline von Charlotte hob sich in der Ferne vom grünen Gebirgsfuß ab. Die Häuser wirkten unter dem tief hängenden Himmel mit den Sturmwolken wie geköpft. Walter schaute zu mir herüber und bemühte sich zu lächeln. »Ich bin sicher, dass alles gut wird.«
    »Ich weiß es wirklich nicht. Das ist es ja.«
    Um elf Uhr erreichten wir den Haupteingang des Douglas-International-Flughafens.
    Wir stiegen aus, ich hievte meinen Sack aus dem Kofferraum und warf ihn über die Schulter.
    »Ich komme noch mit rein, wenn du willst«, sagte Walter.
    »Das geht nicht.« Ich blickte mich um und schaute auf die vielen Reisenden, die sich durch die automatischen Türen schoben. Niemand schien uns zu beachten, daher zog ich einen braunen Umschlag aus einer der Taschen des Sacks und ließ ihn unauffällig in den Kofferraum gleiten.
    »Wenn ich bis zum 1. September nicht zurück bin, kannst du das öffnen.«
    »September?«
    »Walter. Hör mir zu. Lass das niemanden sehen. Wenn es so weit ist und ich nicht zurück bin, wirst du wissen, was mit dem Inhalt zu tun ist. Da stehen Anweisungen drin.« Er ließ den Kofferraumdeckel zuschlagen.
    Unsere Blicke trafen sich, seiner war verwirrt und voller Mitleid. Ich nahm Walter im Ganzen wahr, so wie er

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