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Bruderkampf

Bruderkampf

Titel: Bruderkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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mehr zusetzt als Gicht, betrachte ich ihn als letzte Annehmlichkeit, die mir geblieben ist.«
    Bolitho trank vorsichtig, wobei er seinen Vorgesetzten über den Rand des Glases hinweg studierte. Er war erst vor drei Tagen, gerade zum Jahreswechsel, aus Westindien zurückgekehrt. Sein Schiff, seine geliebte Sparrow, war zur Überholung auf die Werft gekommen, während ihre weniger glückliche Besatzung über die ewig hungrige Flotte verteilt worden war, um die klaffenden Lücken aufzufüllen, die Tod oder Verstümmelung gerissen hatten. Die meisten Leute der Korvette waren seit sechs Jahren nicht mehr in der Heimat gewesen. Sie hatten gehofft, mit ihrem kleinen, aber wohlverdienten Prisengeld ihre Angehörigen besuchen zu können. Es war nicht dazu gekommen, aber Bolitho wußte, daß alle Mitleidsgefühle nutzlos waren.
    Die blassen Augen hefteten sich plötzlich auf Bolithos Gesicht. »Ich gebe Ihnen die Phalarope, Bolitho.« Der Admiral beobachtete, wie es in dem Gesicht des jungen Kapitäns arbeitete. »Sie liegt draußen vor Spithead, bereit zum Auslaufen. Eine schönere Fregatte hat es nie gegeben.«
    Bolitho stellte das Glas langsam auf den Tisch, um Zeit zu gewinnen. Die Phalarope war eine mit zweiunddreißig Kanonen bestückte Fregatte und noch keine sechs Jahre alt. Er hatte sie durch sein Fernglas gesehen, als er Spit Sand vor drei Tagen rundete. Sie war tatsächlich ein schönes Schiff und alles, was er nur erhoffen konnte. Nein, mehr, als er je zu träumen gewagt hätte.
    Ruhig sagte er: »Sie erweisen mir eine große Ehre, Sir.«
    »Unsinn, Sie haben es mehr als verdient.« Der Admiral schien sonderbar erleichtert und sprach, als hätte er seine kleine Rede vorher geprobt. »Ich habe Ihre Laufbahn verfolgt, Bolitho.
    Sie machen der Marine und dem Lande alle Ehre.«
    »Ich hatte einen ausgezeichneten Lehrer, Sir.«
    Der Admiral nickte. »Ja, das waren große Tage, wie? Große Tage.« Er schüttelte sich und goß sich noch einen Branntwein ein. »Die gute Nachricht haben Sie gehört. Nun folgt der andere Teil.« Er sah Bolitho nachdenklich an. »Die Phalarope hat bisher in der Kanalflotte Dienst getan, meist als Blockadeschiff vor Brest.«
    Bolitho spitzte die Ohren. Blockadedienst, das war nichts Neues. Bei dem Bemühen, französische Schiffe am Auslaufen aus den Kanalhäfen zu hindern, wurden die Fregatten gebraucht wie das liebe Brot. Fregatten waren Mädchen für alles. Sie besaßen genügend Feuerkraft, um es im offenen Kampf mit jedem Schiff aufzunehmen, außer mit Linienschiffen. Und sie waren schnell genug, ein Linienschiff auszumanövrieren. Daher waren sie ständig gefragt. Was die Aufmerksamkeit Bolithos sogleich erregte, war die Betonung, die der Admiral auf »bisher« legte. Also lagen neue Befehle vor. Vielleicht sollte das Schiff nach Süden, um die belagerte Festung Gibraltar zu entlasten.
    Der Admiral fuhr rauh fort: »Die meisten Schiffe verfaulen von außen. Wind und See sind grausame Herren, sie spielen selbst dem besten Holz übel mit.« Sein Blick haftete an den Fenstern, gegen die der Regen schlug. »Aber die Phalarope verfaulte von innen!« Er ging zornerfüllt hin und her, sein Schatten glitt wie ein Gespenst durch den Raum. »Vor einem Monat kam es beinahe zu einer Meuterei. Und als das Geschwader mit einigen Blockadebrechern im Gefecht stand, griff die Phalarope nicht ein.«
    Bolitho biß sich auf die Lippen. Meuterei drohte stets. Die Besatzung bestand zumeist aus Männern, die man an Land aufgegriffen und zum Dienst gepreßt hatte. Ein paar Unruhestifter konnten ein gut gedrilltes Schiff in eine Hölle verwandeln. Aber im Verband mit anderen Schiffen geschah das selten. Gewöhnlich brach diese Raserei auf einem Schiff aus, das für sich allein unter unbarmherziger tropischer Sonne in einer Flaute lag.
    Sir Henry Langford fügte scharf hinzu: »Selbstverständlich habe ich den Kapitän seines Kommandos enthoben.«
    Bolitho empfand eine sonderbare Zuneigung zu dem müden, gereizten alten Mann, dessen Flaggschiff, ein mächtiger Dreidecker, im Hafen Vorräte übernahm und sich vorbereitete, den Admiral wieder zu seinem Geschwader vor der feindlichen Küste Frankreichs zu bringen. »Selbstverständlich«, hatte der Admiral gesagt. Doch Bolitho wußte, daß viele Admiräle ihre Kapitäne gedeckt hätten, auch wenn sie wußten, daß sie schuldig oder unfähig waren.
    Der Admiral lächelte ein wenig. »Ich fürchte, die Ehre, die Phalarope zu übernehmen, hat zwei Seiten. Ein

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