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Bruderschaft der Unsterblichen

Bruderschaft der Unsterblichen

Titel: Bruderschaft der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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meinen Geschmack reicht das. Diese ganzen Totenschädel gehen mir auf den Nerv. Die Nummer mit der verschlossenen Tür auch. Und dieser unheimliche alte Mann. Okay, Jungs, jetzt reicht’s. Timothy will jetzt wieder nach Hause.

 
25. KAPITEL
Eli
     
    Sooft ich auch in Gedanken die kleine Szene mit Bruder Antony wiederholt habe, ich kann mir einfach keinen Reim darauf machen. Wollte er mich hochnehmen? War seine Unkenntnis nur geschauspielert? Oder hat er nur ein Wissen vorgegeben, über das er in Wahrheit gar nicht verfügt? War es das schelmische Lächeln des Eingeweihten oder ein plumper Bluff?
    Es konnte ja sein, so sagte ich mir, daß sie das Buch der Schädel unter einem anderen Namen kennen. Oder daß sie im Verlauf der Wanderung von Spanien über Mexiko nach Arizona ihren theologischen Symbolismus fundamental umgestellt hatten. Ich war überzeugt, trotz der dunklen Antwort des Bruders, daß dieser Ort der direkte Nachfolger des Katalonischen Klosters sei, in dem das Manuskript, das ich entdeckt hatte, geschrieben worden war.
    Ich nahm ein Bad. Das angenehmste Bad meines Lebens, das Ultimative an Bad, der Höhepunkt. Ich entstieg der prächtigen Wanne und stellte fest, daß meine Kleider verschwunden waren, und die Tür war verschlossen. Ich zog abgenutzte, ausgefranste Shorts an, die sie mir hingelegt hatten. (Sie?) Und ich wartete. Und wartete. Und wartete. Nichts zu lesen, nichts zu begucken, außer der schönen Steinmaske eines glotzäugigen Schädels, eine Mosaikarbeit, eine Unmenge von kleinen Steinchen aus Jade, Muscheln, Obsidian und Türkis, eine Kostbarkeit, ein Meisterwerk. Ich überlegte, ob ich ein zweites Bad nehmen sollte, bloß um die Zeit rumzukriegen. Dann öffnete sich meine Tür – ich hörte weder einen Schlüssel noch das Klicken eines Schlosses –, und jemand trat ein, der auf den ersten Blick wie Bruder Antony aussah. Der zweite Blick bewies mir, daß es sich um jemand anderen handelte: eine Spur größer, die Schulter eine Idee enger zusammen, die Haut um einen Ton heller, aber ansonsten die gleiche untersetzte, derbe, pseudopicassoide Gestalt. Mit einer seltsam ruhigen Stimme sagte er: „Ich bin Bruder Bernard. Bitte folgen Sie mir.“
    Der Gang schien sich noch auszuweiten, während wir ihn durchquerten. Wir liefen immer weiter, Bruder Bernard an der Spitze, meine Augen starrten die meiste Zeit wie gebannt auf seine merkwürdig hervortretende Wirbelsäule. Mit nackten Füßen auf dem glatten Steinboden, ein angenehmes Gefühl. Geheimnisvolle Türen aus wertvollem Holz verschlossen zu beiden Seiten des Gangs: Zimmer, Zimmer, Zimmer, Zimmer. Millionenwerte an grotesken mexikanischen Artefakten hingen an den Wänden. Alle Götter des Alptraums starrten eulenhaft auf mich herab. Man hatte das Licht eingeschaltet, und ein sanfter gelber Glanz strömte von weitstrahlenden, schädelförmigen Leuchtern, wiederum der Hang zum Melodramatischen. Als wir uns dem Vorderteil des Gebäudes näherten, dem U-Bogen, warf ich einen Blick über Bruder Bernards rechte Schulter und bemerkte zu meiner Verwunderung kurz eine unzweifelhaft weibliche Gestalt, etwa zehn bis fünfzehn Meter vor mir. Ich sah, wie sie aus der letzten Tür dieses Schlafkammerflügels schritt, ohne Eile überquerte sie meinen Weg – sie schien zu schweben und verschwand zum Hauptteil des Gebäudes hin: eine kleine, schlanke Frau, die eine Art Minikleid mit Trägern trug, das kaum die Hüften bedeckte, aus einem weichen, plissierten, weißen Material. Ihr Haar war dunkel und glänzend, südländisches Haar, und hing locker bis zu ihren Schultern herab. Ihre Haut war tief gebräunt und bot damit einen starken Kontrast zu ihrem weißen Kleid. Ihre Brüste schoben sich groß heraus; mir blieb kein Zweifel über ihr Geschlecht. Ihr Gesicht konnte ich nicht deutlich erkennen. Mich überraschte, daß es im Schädelhaus sowohl Schwestern als auch Brüder gab, aber vielleicht war sie nur ein Dienstmädchen, denn der Ort mußte ja peinlich sauber gehalten werden. Ich wußte, daß es keinen Zweck hatte, Bruder Bernard danach zu fragen; er hüllte sich in Schweigen wie andere Leute in einen Panzer.
    Er geleitete mich in einen großen Raum, der zeremoniellen Zwecken diente, offensichtlich war es aber nicht derselbe, in dem Bruder Antony uns begrüßt hatte, denn ich entdeckte kein Anzeichen für eine Falltür, die zum Tunnel führte. Auch der Springbrunnen hier schien eine andere Form zu haben: höher, eher eine Tulpenform, obwohl die

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