Bruderschaft der Unsterblichen
aufzugeben, ein bedeutungsvolles dafür zu erlangen. Ja, ich gehöre euch, Bruder Antony, bedingungslos. Ich ließ meine Hand auf der Maske. Und überhaupt, wie wollten diese Männlein uns daran hindern, wenn wir uns entschlossen hinauszugehen? Das hier war doch auch nicht mehr als ein Theaterdonner-Ritual, wie die Steinmaske, wie der Chorgesang. Das versöhnte mich wieder. Ned schien auch seine Zweifel zu haben; heimlich beobachtete ich ihn und sah, wie seine Finger kurz zuckten, aber sie blieben dort. Olivers Hand rührte sich zu keinem Moment auf der Maske von der Stelle. Timothy schien am meisten zu zögern; er blickte mürrisch drein, starrte uns an und den Bruder, bekam Schweißausbrüche, hob schließlich für etwa drei Sekunden die Finger. Aber dann preßte er sie mit einer Geste von Scheiß-drauf-was-soll’s so fest auf die Maske, daß der Druck Bruder Antony nahezu taumeln ließ. Vollbracht. Wir hatten unser Pfand gegeben. Bruder Antony entfernte seine Maske. „Ihr werdet jetzt mit uns zu Abend essen“, sagte er, „und morgen früh geht es los.“
26. KAPITEL
Oliver
Wir sind also da, und es existiert wirklich, und wir stehen mittendrin, und sie nehmen uns als Kandidaten. Das ewige Leben gewähren wir dir. So weit, so gut. Es stimmt also. Aber stimmt es wirklich? Wenn man jeden Sonntag gläubig in die Kirche geht, seine Gebete spricht, ein gottesfürchtiges Leben führt und zwei Dollar in den Klingelbeutel wirft, fährt man auf in den Himmel und lebt in alle Ewigkeit mit den Engeln und Aposteln; so wird es gesagt, aber stimmt das denn auch wirklich? Gibt es einen Himmel? Befinden sich dort Engel und Apostel? Was hat der emsige Kirchgang für einen Wert, wenn am Ende nichts Wahres daran ist? Ebenso gibt es das Haus der Schädel wirklich, gibt es wirklich eine Bruderschaft der Schädel, es gibt die Hüter – Bruder Antony ist ein Hüter –, und wir sind ein Fruchtboden, eine Prüfung findet statt, aber hat das alles seine Richtigkeit? Stimmt irgend etwas davon? Das ewige Leben gewähren wir dir, aber tun sie das wirklich? Oder ist das alles nur ein Wunschtraum, wie die Geschichte, daß man unter Engeln und Aposteln leben wird?
Eli glaubt, daß es stimmt. Ned scheint auch davon überzeugt zu sein. Timothy amüsiert die ganze Angelegenheit, oder vielleicht irritiert sie ihn auch nur; schwer zu sagen. Und ich? Und ich? Ich komme mir vor wie ein Schlafwandler. Aber dies ist ein Tagtraum.
Ich grüble immer darüber nach, nicht nur hier, sondern überall, wohin ich gehe, ob alles real ist, ob ich etwas Wirkliches erfahre. Nehme ich wirklich daran teil, bin ich wirklich daran beteiligt? Was, wenn nicht? Was, wenn die Aufregungen, die ich verspüre, nichts weiter als die fahlsten, mattesten Echos dessen sind, was andere fühlen? Wie kann ich das wissen? Wenn ich Wein trinke, schmecke ich dann alles, was es dabei zu schmecken gibt, was sie schmecken? Oder bekomme ich nur eine Spur des Geschmacks mit? Wenn ich ein Buch lese, verstehe ich dann alle Worte, die auf einer Seite stehen, oder glaube ich das nur? Wenn ich den Körper eines Mädchens berühre, fühle ich dann wirklich das Gewebe ihrer Haut? Manchmal glaube ich, mein ganzes Wahrnehmungsvermögen ist zu schwach veranlagt. Manchmal glaube ich, daß ich der einzige in der Welt bin, der die Dinge nicht vollständig wahrnimmt, aber ich kann das nicht erklären, nicht mehr, als ein Farbenblinder erklären kann, ob die Farben, die er sieht, wirklich diese Farben sind. Manchmal glaube ich, ich lebe in einem Film: Ich bin nur ein Schalten auf der Leinwand und drifte von einer zur nächsten nichtssagenden Episode in einem Drehbuch, das jemand anderes geschrieben hat, das ein Schwachsinniger geschrieben hat, ein Schimpanse, ein wildgewordener Computer, und ich besitze keine Tiefe, keine Gestalt, keine Fühlbarkeit, keine Wirklichkeit. Nichts spielt eine Rolle; nichts ist real. Alles ist nur ein großer, bunter Film. Und so wird es mir in alle Ewigkeit ergehen. In solchen Momenten befällt mich eine Art Verzweiflung. Und dann kann ich gar nichts mehr glauben. Selbst die Worte verlieren ihre Bedeutung und werden zu leeren Klängen. Alles wird abstrakt, nicht nur die verschwommenen Begriffe wie Liebe, Hoffnung und Tod, sondern auch die konkreten Worte wie Baum, Straße, sauer, heiß, weich, Pferd und Fenster. Ich kann nichts mehr für wahr halten, was vorgibt, es zu sein, denn sein Name ist nur ein Geräusch. Aller Inhalt wird aus den Substantiven
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