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Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Titel: Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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breitete die Arme aus, um sie nach beiden Seiten abzutasten. Dann drehte er sich seitwärts, um zum Tasten beide Hände benutzen zu können, und bewegte sich auf diese Weise, immer dicht an der Mauer entlang, langsam nach rechts.
    Als er plötzlich etwas hinter sich hörte, hielt er inne, weniger überrascht ob des Geräusches selbst als über die Tatsache, daß er es hören konnte. Er versuchte seinen Kopf ganz leer zu machen und erneut in den Sturm hineinzuhorchen; nach einer Weile war er sicher, daß dieser an Lautstärke abnahm. Jetzt vernahm er deutlich den Überschlag einer Welle, dieses unverkennbare Donnern, wenn Wasser auf harten Sand klatscht. Während er diesen Geräuschen nachlauschte, schien es ihm, als ob der Wind noch weiter abnähme. Und im gleichen Maße, wie der Wind schwächer wurde, begann Brunetti stärker zu frieren, aber das war vielleicht nichts weiter als das Abklingen der durch den Schock ausgelösten Betäubung. Er nestelte die Schwimmweste auf und ließ sie zu Boden fallen.
    Er machte noch ein paar Schritte, die tastenden Finger vorsichtig wie die Fühler einer Schnecke vor sich ausgestreckt. Plötzlich verschwand die Fläche unter seiner linken Hand, und als er in dieses Nichts hineingriff, fühlte er die harte Umgrenzung eines Durchgangs. Noch immer blind, tastete er ihn mit beiden Händen ab, setzte dann einen Fuß vor und suchte nach einer Stufe, die aufwärts oder abwärts führte.
    Es ging abwärts. Mit beiden Händen an die Seitenwände des schmalen Durchgangs gestützt, ging er die erste Stufe hinunter, dann eine zweite und eine dritte, bis sein behutsam tastender Fuß einen weiteren Raum unter sich fühlte.
    In der Stille - nämlich von den Geräuschen des Windes abgeschnitten - erwachten seine anderen Sinne, und ihn überwältigte ein fürchterlicher Gestank nach Urin und Schimmel und wer weiß was noch. Hier drinnen, wo die Windstöße ihn nicht mehr trafen, hätte ihm nun wärmer werden müssen, aber er fror jetzt noch viel mehr als draußen, als hätten Kälte und Nässe erst durch die Stille die Kraft bekommen, ihn ganz zu durchdringen.
    Lauschend blieb er stehen, ganz nach vorn konzentriert, wohin dieses Nichts ihn führen würde, sowie nach hinten, die Stufen wieder hinauf und hinein in den abflauenden Sturm. Er ging nach rechts, bis er an eine Mauer kam, drehte sich um und lehnte sich mit dem Rücken daran, froh um etwas Festes, das ihm Halt gab. Lange stand er so da, den Blick auf den vermuteten Eingang gerichtet, bis er von draußen tatsächlich einen Lichtschimmer hereindringen sah. Er ging darauf zu, und sowie es etwas heller um ihn wurde, hielt er sich die Uhr ganz dicht vor die Augen. Mit Staunen sah er, daß es noch früher Abend war. Er näherte sich den jetzt lichtbeschienenen Stufen, angezogen von der Hoffnung auf Helligkeit und die Stille, die sich die Stufen hinunter ergoß.
    Eine wahre Pracht umfing ihn draußen: Im Westen senkte die Sonne sich gemächlich dem Horizont entgegen, wobei sie immer wieder hinter den vereinzelten Wolken verschwand, die der Sturm wegzufegen vergessen hatte, so daß sie die nun stillen Wasser der Lagune mit ihren Spiegelbildern tüpfelten. Er wandte sich nach Osten und sah, noch unweit der Küste, die Rückseite der Gewitterfront auf ihrem Weg nach Restjugoslawien, als wollte sie sehen, was für neuen Schaden sie dort noch anrichten könnte.
    Brunetti schüttelte es plötzlich, als Hunger, Stress und die langsam sinkende Temperatur seinen Körper packten. Er schlang sich die Arme um den Leib und setzte sich in Bewegung. Wieder rief er nach Bonsuan, und wieder bekam er keine Antwort. Soweit er sehen konnte, war das Land um ihn herum auf drei Seiten von Wasser umschlossen, während ein schmaler Streifen Strand nach Norden führte. Nach allem, was er von seinem jüngsten Kartenstudium noch im Gedächtnis hatte, mußte dies das Naturschutzgebiet Caroman sein, obschon von dem Wild, das hier geschützt werden sollte, nirgendwo etwas zu sehen war; es war wohl vor dem Sturm geflohen oder in Deckung gegangen.
    Er drehte sich um und sah hinter sich die Festungsruine. Dahin ging er zurück: Vielleicht gab es ja weitere Zugänge, und der Bootsführer hatte in einem von ihnen Zuflucht gefunden. Links von dem Durchgang, den er selbst benutzt hatte, befand sich ein zweiter, der nach oben führte. Brunetti ging die Stufen hinauf, weil er sich von der Bewegung etwas Wärme für seinen durchgefrorenen Körper versprach, doch er fand weder Wärme noch

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