Buddenbrooks
die Fortdauer seiner Selbständigkeit, er übernahm Aktiva und Passiva von H. C. F. Burmeester & Comp. … und Unannehmlichkeiten standen zu befürchten.
Da war ferner des Konsuls Schwester Clara in Riga … Daß ihre Ehe mit dem Pastor Tiburtius ohne Kindersegen geblieben war, mochte hingehen, denn Clara Buddenbrook hatte sich niemals Kinder gewünscht und besaß ohne Zweifel höchst wenig mütterliches Talent. Aber ihre Gesundheit ließ, ihren und ihres Mannes Briefen zufolge, allzuviel zu wünschen übrig, und die Gehirnschmerzen, an denen sie schon als junges Mädchen gelitten, traten, so hieß es, neuerdings periodisch in fast unerträglichem Grade auf.
{400} Das war beunruhigend. Eine dritte Sorge aber bestand darin, daß auch hier, an Ort und Stelle selbst, für das Fortleben des Familiennamens noch immer keine Sicherheit gegeben war. Gerda behandelte diese Frage mit einem souveränen Gleichmut, der einer dégoûtierten Ablehnung äußerst nahe kam. Thomas verschwieg seinen Kummer. Die alte Konsulin aber nahm die Sache in die Hand und zog Grabow beiseite. »Doktor, unter uns, da muß endlich etwas geschehen, nicht wahr? Ein bißchen Bergluft in Kreuth und ein bißchen Seeluft in Glücksburg oder Travemünde scheint da nicht anzuschlagen. Was meinen Sie …« Und Grabow, weil sein angenehmes Recept: »Strenge Diät; ein wenig Taube, ein wenig Franzbrot« in diesem Falle doch wohl wieder einmal nicht energisch genug eingegriffen haben würde, verordnete Pyrmont und Schlangenbad …
Das waren drei Bedenken. Und Tony? – Arme Tony!
8.
Sie schrieb:
»Und wenn ich ›Frikadellen‹ sage, so begreift sie es nicht, denn es heißt hier ›Pflanzerln‹; und wenn sie ›Karfiol‹ sagt, so findet sich wohl nicht so leicht ein Christenmensch, der darauf verfällt, daß sie Blumenkohl meint; und wenn ich sage: ›Bratkartoffeln‹, so schreit sie so lange ›Wahs!‹, bis ich ›Geröhste Kartoffeln‹ sage, denn so heißt es hier, und mit ›Wahs‹ meint sie ›Wie beliebt‹. Und das ist nun schon die zweite, denn die erste Person, welche Kathi hieß, habe ich mir erlaubt, aus dem Hause zu schicken, weil sie immer gleich grob wurde; oder wenigstens schien es mir so, denn ich kann mich auch geirrt haben, wie ich nachträglich einsehe, denn man weiß hier nicht recht, ob die Leute eigentlich grob oder freundlich reden. Diese Jetzige, welche Babette heißt, was Bábett auszusprechen ist, hat übrigens ein recht angenehmes extérieur und schon etwas ganz Süd {401} liches, wie es hier manche giebt, mit schwarzem Haar und schwarzen Augen und Zähnen, um die man sie beneiden könnte. Auch ist sie willig und bereitet unter meiner Anleitung manches von unseren heimatlichen Gerichten, so gestern zum Beispiel Sauerampfer mit Korinthen, aber davon habe ich großen Kummer gehabt, denn Permaneder nahm mir dies Gemüse so übel (obgleich er die Korinthen mit der Gabel herauspickte), daß er den ganzen Nachmittag nicht mit mir sprach, sondern nur murrte, und kann ich sagen, Mutter, daß das Leben nicht immer leicht ist.«
Allein, es waren nicht nur die »Pflanzerln« und der Sauerampfer, die ihr das Leben verbitterten … Gleich in den Flitterwochen hatte ein Schlag sie getroffen, ein Unvorhergesehenes, Ungeahntes, Unfaßliches war über sie hereingebrochen, ein Ereignis, das ihr alle Freudigkeit genommen hatte und das sie nicht zu verwinden vermochte. Dieses Ereignis war folgendes.
Erst als das Ehepaar Permaneder bereits einige Wochen in München lebte, hatte Konsul Buddenbrook die testamentarisch fixierte Mitgift seiner Schwester, das heißt 51 000 Mark Courant, flüssig machen können, und diese Summe war hierauf, in Gulden umgesetzt, vollkommen richtig in Herrn Permaneders Hände gelangt. Herr Permaneder hatte sie sicher und nicht ungünstig deponiert. Was er aber dann, ohne Zögern und Erröten, seiner Gattin gesagt hatte, war dies:
»Tonerl« – er nannte sie Tonerl – »Tonerl, mir war's gnua. Mehr brauchen mer nimmer. I hab' mi allweil g'schunden, und jetzt will i mei Ruh, Himmi Sakrament. Mer vermieten's Parterre und die zwoate Etasch, und dahier hamer a guate Wohnung und können a Schweinshaxen essen und brauchen uns net allweil gar so nobi z'sammrichten und aufdrahn … und am Abend hab' i's Hofbräuhaus. I bin ka Prozen net und mag net allweil a Göld z'ammscharrn; i mag mei G'müatlichkeit! Von morgen ab mach' i Schluß und werd' Privatier!«
{402} »Permaneder!« hatte sie ausgerufen und
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