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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Guter Gott, es ist doch kaum eine Verwandtschaft! Die Buddenbrooks haben den Alten an den Haaren herbeigezogen … Und in der That: es ist ein Streich, eine kleine Intrigue, die der Konsul zusammen mit Mme. Permaneder eingefädelt hat. Eigentlich, in der ersten Freude, als Mutter und Kind in Sicherheit waren, ist es bloß ein Scherz gewesen. »Ein Junge, Tony! – Der soll den Bürgermeister zum Gevatter haben!« hat der Konsul gerufen; aber sie hat es {439} aufgegriffen, und ist mit Ernst darauf eingegangen, worauf auch er sich die Sache wohl überlegt und dann in einen Versuch gewilligt hat. So haben sie sich hinter Onkel Justus gesteckt, der seine Frau zu ihrer Schwägerin, der Gattin des Holzhändlers Oeverdieck geschickt hat, die ihrerseits ihren greisen Schwiegervater ein wenig hat präparieren müssen. Dann hat ein ehrerbietiger Besuch Thomas Buddenbrooks bei dem Staatsoberhaupte das Seine gethan …
    Und nun sprengt, während die Amme die Haube des Kindes lüftet, der Pastor vorsichtig zwei oder drei Tropfen aus der silbernen, innen vergoldeten Schale, die vor ihm steht, auf das spärliche Haar des kleinen Buddenbrook und nennt langsam und nachdrücklich die Namen, auf die er ihn tauft: –
Justus, Johann, Kaspar
. Dann folgt ein kurzes Gebet, und die Verwandten gehen vorbei, um dem stillen und gleichmütigen Wesen einen glückwünschenden Kuß auf die Stirn zu drücken … Therese Weichbrodt kommt zuletzt, und die Amme muß ihr das Kind ein wenig hinunterreichen; dafür aber giebt Sesemi ihm
zwei
Küsse, die leise knallen und zwischen denen sie sagt:
    »Du gutes Kend!«
    Drei Minuten später hat man sich im Salon und im Wohnzimmer gruppiert, und die Süßigkeiten machen die Runde. Auch Pastor Pringsheim, in seinem langen Ornat, unter dem die breiten, blankgewichsten Stiefel hervorsehen, und seiner Halskrause, sitzt da, nippt die kühle Schlagsahne von seiner heißen Chokolade und plaudert mit verklärtem Gesicht in einer ganz leichten Art, die im Gegensatze zu seiner Rede von besonderer Wirksamkeit ist. In jeder seiner Bewegungen liegt ausgedrückt: Seht, ich kann auch den Priester ablegen und ein ganz harmlos fröhliches Weltkind sein! Er ist ein gewandter, anschmiegsamer Mann. Er spricht mit der alten Konsulin ein wenig salbungsvoll, mit Thomas und Gerda weltmännisch und mit glatten Gebärden, mit Frau Permaneder im Tone einer {440} herzlichen, schalkhaften Heiterkeit … Hie und da, wenn er sich besinnt, kreuzt er die Hände im Schoß, legt den Kopf zurück, verfinstert die Brauen und macht ein langes Gesicht. Beim Lachen zieht er die Luft stoßweise und zischend durch die geschlossenen Zähne ein.
    Plötzlich entsteht draußen auf dem Korridor Bewegung, man hört die Dienstboten lachen, und in der Thür erscheint ein sonderbarer Gratulant. Es ist Grobleben: Grobleben, an dessen magerer Nase zu jeder Jahreszeit beständig ein länglicher Tropfen hängt, ohne jemals hinunter zu fallen. Grobleben ist ein Speicherarbeiter des Konsuls, und sein Brotherr hat ihm einen Nebenverdienst als Stiefelwichser angewiesen. Frühmorgens erscheint er in der Breitenstraße, nimmt das vor die Thür gestellte Schuhwerk und reinigt es unten auf der Diele. Bei Familienfestlichkeiten aber stellt er sich feiertäglich gekleidet ein, bringt Blumen und hält, während der Tropfen an seiner Nase balanciert, mit weinerlicher und salbungsvoller Stimme eine Ansprache, worauf er ein Geldgeschenk entgegennimmt. Aber er thut es nicht
darum
!
    Er hat einen schwarzen Rock angezogen – es ist ein abgelegter des Konsuls – trägt aber Schmierstiefel mit Schäften und einen blauwollenen Shawl um den Hals. In der Hand, einer dürren, roten Hand, hält er ein großes Bouquet von blassen, ein wenig zu weit erblühten Rosen, die sich zum Teil langsam auf den Teppich entblättern. Seine kleinen, entzündeten Augen blinzeln umher, scheinbar ohne etwas zu sehen … Er bleibt in der Thür stehen, hält den Strauß vor sich hin und beginnt sofort zu reden, während die alte Konsulin ihm nach jedem Worte ermunternd zunickt und kleine, erleichternde Einwürfe macht, der Konsul ihn betrachtet, indem er eine seiner hellen Brauen emporzieht, und einige Familienglieder, wie zum Beispiel Frau Permaneder, den Mund mit dem Taschentuch bedecken.
    {441} »Ick bün man 'n armen Mann, mine Herrschaften, öäwer ick hew 'n empfindend Hart, un dat Glück und de Freud von min Herrn, Kunsel Buddenbrook, welcher ümmer gaut tau mi west is, dat geiht mi nah,

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