Buddenbrooks
befand; seine Hände und Füße aber waren kalt. Die Empfänge im Comptoir hatten ihn beinahe schon abgenutzt … Er atmete auf und trat ein, um in dem von Sonnenlicht erfüllten Gemach den Konsul Huneus, Holzgroßhändler und fünffacher Millionär, seine Gemahlin, ihre Tochter und deren Gatten, Herrn Senator Doktor Gieseke zu begrüßen. Die Herrschaften waren zusammen von Travemünde hereingekommen, woselbst sie, wie mehrere der Ersten Familien, die nur dem Buddenbrookschen Geschäftsjubiläum zu Ehren ihre Badekur unterbrachen, den Juli verbrachten.
Man saß nicht drei Minuten auf den hellen, geschweiften {537} Fauteuils bei einander, als Konsul Oeverdieck, Sohn des verstorbenen Bürgermeisters, mit seiner Gattin, der geborenen Kistenmaker eintraf; und als Konsul Huneus sich verabschiedete, begegnete er seinem Bruder, der eine Million weniger besaß, aber dafür Senator war.
Nun war der Reigen eröffnet. Die große, weiße Thür mit dem Relief von musizierenden Amoretten darüber blieb kaum einen Augenblick geschlossen und gewährte beständig den Ausblick auf das vom einfallenden Licht durchflutete Treppenhaus, sowie auf die Haupttreppe selbst, auf der sich unaufhörlich die Gäste herauf und hinunter bewegten. Da aber der Salon geräumig war und die Gruppen, die sich bildeten, von Gesprächen zusammengehalten wurden, so waren die Kommenden weit zahlreicher, als die Gehenden, und bald beschränkte man sich nicht mehr auf das Zimmer, sondern überhob das Dienstmädchen des Öffnens und Schließens der Thür, ließ sie offen und stand auch auf dem parkettierten Korridor beisammen. Schwirrendes und dröhnendes Gespräch von Damen- und Männerstimmen, Händeschütteln, Verbeugungen, Scherzworte und lautes, behagliches Lachen, das sich zwischen den Säulen des Treppenhauses emporschwingt und von der Decke, der großen Glasscheibe des »Einfallenden Lichtes« widerhallt. Senator Buddenbrook nimmt bald zu Häupten der Treppe, bald drinnen an der Schwelle des Erkers ernst und formell gemurmelte oder kordial hervorgestoßene Glückwünsche entgegen. Bürgermeister Doktor Langhals, ein vornehm untersetzter Herr, der sein rasiertes Kinn in der weißen Binde birgt, mit kurzen, grauen Cotelettes und müdem Diplomatenblick, wird mit allgemeiner Ehrerbietung empfangen. Der Weinhändler Konsul Eduard Kistenmaker nebst seiner Gattin, der geborenen Möllendorpf, sowie sein Bruder und Teilhaber, Stephan, Senator Buddenbrooks treuester Anhänger und Freund, mit seiner Frau, einer außerordentlich gesunden Gutsbesit {538} zerstochter, sind eingetroffen. Die verwitwete Senatorin Möllendorpf thront im Salon inmitten des Sofas, während ihre Kinder, Herr Konsul August Möllendorpf mit seiner Gemahlin Julchen, geborene Hagenström, soeben anlangen, ihre Gratulation erledigen und sich grüßend durch die Versammlung bewegen. Konsul Hermann Hagenström hat für seinen schweren Körper eine Stütze am Treppengeländer gefunden und plaudert, während seine platt auf der Oberlippe liegende Nase ein wenig mühsam in den rötlichen Bart hineinatmet, mit Herrn Senator Doktor Cremer, dem Polizeichef, dessen braun-grau melierter Backenbart sein mit einer gewissen milden Schlauheit lächelndes Gesicht umrahmt. Staatsanwalt Doktor Moritz Hagenström, dessen schöne Gattin, die geborene Puttfarken aus Hamburg, ebenfalls anwesend ist, zeigt irgendwo lächelnd seine spitzigen, lückenhaften Zähne. Einen Augenblick sieht man, wie der alte Doktor Grabow Senator Buddenbrooks Rechte zwischen seinen beiden Händen hält, um gleich darauf vom Baumeister Voigt verdrängt zu werden. Pastor Pringsheim, in bürgerlicher Kleidung und nur durch die Länge seines Gehrockes seine Würde andeutend, kommt mit ausgebreiteten Armen und gänzlich verklärtem Angesicht die Treppe herauf. Auch Friedrich Wilhelm Marcus ist zugegen. Diejenigen Herren, die irgend eine Körperschaft, den Senat, die Bürgerschaft, die Handelskammer repräsentieren, sind im Frack erschienen. – Halb zwölf Uhr. Die Hitze ist sehr stark geworden. Die Dame des Hauses hat sich vor einer Viertelstunde zurückgezogen …
Plötzlich wird drunten am Windfang ein stampfendes und schlürfendes Geräusch laut, wie wenn viele Leute auf einmal die Diele beträten, und gleichzeitig klingt eine lärmende und schallende Stimme auf, die das ganze Haus erfüllt … Alles drängt zum Geländer; man staut sich auf dem ganzen Korridor, vor den Thüren zum Salon, zum Eßzimmer und Rauchzimmer, {539} und
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