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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Heft, auf dessen Umschlag ein Kupfer das Edinburger Schloß mit dem Graßmarkte darstellte. Da waren als traurige Dokumente die bösen Briefe Gottholds an seinen Vater und schließlich, als heiterer Abschluß, das letzte Festgedicht Jean Jacques Hoffstedes …
    Ein feines, eiliges Klingeln ließ sich vernehmen. Der Kirchturm droben, auf dem mattfarbigen Gemälde, das über dem Sekretär hing und einen altertümlichen Marktplatz darstellte, besaß eine wirkliche Uhr, die nun auf ihre Weise 10 schlug. Der Konsul verschloß die Familien-Mappe und verwahrte sie sorgfältig in einem hinteren Fache des Sekretärs. Dann ging er ins Schlafzimmer hinüber.
    {63} Hier waren die Wände mit dunklem, großgeblümtem Tuche ausgeschlagen, dem gleichen Stoffe, aus dem die hohen Gardinen des Wochenbettes bestanden. Eine Stimmung von Erholung und Frieden nach überstandenen Ängsten und Schmerzen lag in der Luft, die, vom Ofen noch leise erwärmt, mit einem Mischgeruch von Eau de Cologne und Medikamenten durchsetzt war. Die geschlossenen Vorhänge ließen das Licht nur dämmernd herein.
    Über die Wiege gebeugt standen die beiden Alten nebeneinander und betrachteten das schlafende Kind. Die Konsulin aber, in einer eleganten Spitzenjacke, das rötliche Haar aufs beste frisiert, streckte, ein wenig bleich noch, aber mit einem glücklichen Lächeln ihrem Gatten die schöne Hand entgegen, an deren Gelenk auch jetzt ein goldenes Armband leise klirrte. Sie wandte dabei, nach ihrer Gewohnheit, die Handfläche so weit als möglich herum, was die Herzlichkeit der Bewegung zu erhöhen schien …
    »Nun, Bethsy, wie geht es?«
    »Vortrefflich, vortrefflich, mein lieber Jean!«
    Ihre Hand in der seinen, näherte er, den Eltern gegenüber, sein Gesicht dem Kinde, das rasch und geräuschvoll Luft holte, und atmete während einer Minute den warmen, gutmütigen und rührenden Duft ein, der von ihm ausging. »Gott segne dich«, sagte er leise, indem er die Stirn des kleinen Wesens küßte, dessen gelbe, runzlige Fingerchen eine verzweifelte Ähnlichkeit mit Hühnerklauen besaßen.
    »Sie hat prächtig getrunken«, bemerkte Madame Antoinette. »Sieh nur, sie hat stupende zugenommen …«
    »Wollt ihr mir glauben, daß sie Netten ähnlich sieht?« Johann Buddenbrooks Gesicht strahlte heute geradezu vor Glück und Stolz. »Blitzschwarze Augen hat sie, hole mich der Teufel …«
    Die alte Dame wehrte bescheiden ab. »Ach, wie kann man {64} schon jetzt von einer Ähnlichkeit sprechen … Du willst zur Kirche, Jean?«
    »Ja, es ist 10, – hohe Zeit also, ich warte auf die Kinder …«
    Und die Kinder ließen sich bereits hören. Sie lärmten ungebührlich auf der Treppe, während man das beruhigende Zischen Klothhildens vernahm; dann aber traten sie in ihren Pelzmäntelchen – denn in der Marienkirche war es natürlich noch winterlich – leise und vorsichtig herein, erstens wegen der kleinen Schwester und zweitens, weil es nötig war, sich vor dem Gottesdienste zu sammeln. Ihre Gesichter waren rot und erregt. Welch ein Festtag heute! Der Storch, ein Storch mit braven Muskeln, entschieden, hatte außer dem Schwesterchen noch allerlei Prachtvolles mitgebracht: eine neue Schulmappe mit Seehundsfell für Thomas, eine große Puppe mit wirklichem – dies war das Außerordentliche – mit wirklichem Haar für Antonie, ein buntes Bilderbuch für die artige Klothhilde, die sich aber still und dankbar fast ausschließlich mit den Zuckerdüten beschäftigte, die gleichfalls eingetroffen waren, und für Christian ein komplettes Kasperle-Theater mit Sultan, Tod und Teufel …
    Sie küßten ihre Mutter und durften rasch noch einmal behutsam hinter die grünseidne Gardine blicken, worauf sie mit dem Vater, der seinen Pelerinen-Mantel übergeworfen und das Gesangbuch zur Hand genommen hatte, schweigend und ruhigen Schrittes zur Kirche zogen, gefolgt von dem durchdringenden Geschrei des neuen Familiengliedes, das plötzlich erwacht war …

2.
    Zum Sommer, im Mai vielleicht schon, oder im Juni, zog Tony Buddenbrook immer zu den Großeltern vors Burgthor hinaus, und zwar mit heller Freude.
    Es lebte sich gut dort draußen im Freien, in der luxuriös {65} eingerichteten Villa mit weitläufigen Nebengebäuden, Dienerschaftswohnungen und Remisen und dem ungeheuren Obst-, Gemüse- und Blumengarten, der sich schräg abfallend bis zur Trave hinunterzog. Die Krögers lebten auf großem Fuße, und obgleich ein Unterschied bestand zwischen diesem blitzblanken

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