Bugschuß
Neues finden, das war damals nicht drin. Und kreditwürdig war ich erst recht nicht.«
»Ach, richtig bemüht hast du dich nie!«, warf de Vries ein und nahm einen großen Schluck, »außerdem …«, fügte er an, »außerdem ist es nicht besonders schlau, mit neuen Schulden alte zu begleichen!«
»Das brauchst du mir nicht erklären!«, fauchte Jande zurück, »hör mal, das stimmt einfach nicht«, er wurde jetzt forscher, dann, nach einer Pause, besann er sich: »Ich bin dir sehr dankbar, dass du mir die 2.500 Mark geliehen hast. Dadurch konnte ich mir mit Janne die kleine Wohnung mieten und endlich in Ruhe Gedanken fassen, Bewerbungen schreiben und so. Dein Geld war tatsächlich erst die Voraussetzung dafür, mich zu besinnen und …«
»Besinnen! Hör mir auf mit deinen Leidensgeschichten. Und mit deiner Währungsreform, so ein Blödsinn. Der Euro ist 2002 eingeführt worden – ich habe dir wesentlich später das Geld gegeben! So lange, wie du meinst, kann es noch gar nicht her sein. Immerhin hättest du Tagesjobs annehmen können – irgendwo gibt’s immer Kohle zu verdienen!«
»Das sind Sprüche, sonst gar nix!«
»Sind’s nicht. Ich war nie arbeitslos!«
»Na prima! Es gibt aber massenhaft Leute, die sind’s. Du willst nicht etwa behaupten, die hätten alle Spaß daran?«
»Ach, die Wirtschaft schwankt eben immerzu, mal haben mehr Leute Arbeit, mal weniger. Wenn man sich richtig bemüht, zumal, wenn man Schulden hat …«, de Vries machte nichts weiter als eine wegwerfende Handbewegung, führte den Satz nicht zu Ende.
Jande fixierte ihn voller Wut.
Es entstand eine Pause, in der de Vries unentwegt auf die Schnapsflaschen hinter der Theke starrte und ab und zu einen Schluck Bier nahm. Neben allerlei Likören standen dort ein paar Flaschen bester schottischer Single-Malts und de Vries schien fast so, als überlege er, einen zu bestellen. Neben vier Glens – Glenfiddich, Glenfarclas, Glenmorangie und Glengoyne – standen dort weitere feine Tropfen von den schottischen Atlantikinseln wie Laphroaig oder eine Flasche Bunnahabhain, der Seemann mit dem Südwester auf dem Etikett der Flasche schien de Vries geradezu aufzufordern … Leider war der Preisunterschied zwischen einem einfachen Weizenkorn und einem schottischen Single-Malt beträchtlich.
»Siebold, du kriegst 1.300, meinetwegen. Das wäre gerecht und korrekt«, versuchte Jande, das Gespräch wieder in Gang zu setzen.
De Vries schwieg.
»Du kannst einfach nicht vergessen haben, wie wir uns damals geeinigt haben, verdammt noch mal!«, wurde Jande deutlicher. »Du kriegst das Geld zurück. Ich weiß ja, dass ich längst hätte bezahlen sollen. Aber die Kohle war einfach nicht da. Mann, hier mal Zeitungen verteilen, da mal Schließdienst … das reicht nicht einmal, um mich vernünftig zu ernähren, und ein Dach über dem Kopf braucht man nun mal zusätzlich. Siebold, das brauch’ ich dir jetzt wirklich nicht alles erzählen … Nur, damals ging es um Mark! Die Sache ist verdammt lang her, und ich bin dir dankbar, dass du mir all die Jahre, die wir uns nicht gesehen haben, Zeit gelassen hast.«
»Sag’ mal«, wendete sich de Vries betont ruhig seinem Gesprächspartner erneut zu, »wäre es nicht korrekt gewesen, wenn du dich gemeldet hättest? Du hattest Schulden – jetzt mal egal wie viel – da hättest du dich bewegen müssen, wenigstens dich mal melden. Aber eigentlich hättest du das Geld einfach überweisen müssen. Und wenn es in Raten gewesen wäre. Ich, mein Lieber, hatte dir nicht hinterherzurennen. Aber jetzt bin ich in einer Lage, in der ich jeden Cent brauche. Das war lange Zeit nicht so. Ich habe immer gedacht: Ach, lass man, so nötig hast du es jetzt nicht. Er wird sicher zahlen, irgendwann. Aber jetzt ist Schluss mit lustig. 2.500 Euro will ich, keinen Cent weniger. Und ich verwechsle nichts. Ich würde viel lieber in D-Mark rechnen, glaub’s mir, als in diesem Euro. Der ist eh Käse. So viele, so unterschiedliche Länder und alle haben dieselbe Währung – das funktioniert nicht. Da passt eine Währung nicht, die in Deutschland, Frankreich, Portugal und Griechenland gleichermaßen gültig ist. Einige werden immer draufzahlen, während die anderen animiert werden, über ihre Verhältnisse zu leben, sag’ ich, aber wen interessiert’s. Europa ist Vielfalt, nicht Einerlei! Aber zurück zu dir. Deine Geschichte über die lausige Vergangenheit, mein Lieber, die kenne ich nun bald auswendig. Ich habe die Nase voll davon!«
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