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Bugschuß

Bugschuß

Titel: Bugschuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hardy Pundt
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Oberarm, um die Blutung zu stillen. Dann dirigierte der Steuermann seine Mannschaft mit deutlichen Worten über die Kanalkreuzung hinweg zu einer Stelle, an der die Ruderer aussteigen konnten, die sie dank ihrer kräftigen Schläge schnell erreichten. Die Durchschusslöcher – einer der Schüsse war am Bug steuerbords eingedrungen und an der Backbordwand wieder ausgetreten – waren glücklicherweise oberhalb der Wasserlinie, sodass nur die Wellen dafür sorgten, dass sich langsam Wasser im Boot sammelte.
    Sie legten Stöwers auf das Gras. Er hatte einen Schock, war aber bei Bewusstsein, und Harm Wientjes rief sofort einen Arzt, erklärte dabei so gut wie möglich ihren Standort. Zwei der Ruderer rannten zur Gaststätte, die einige hundert Meter weiter am Kanal lag. Hier sollte der Arzt eintreffen, näher kam man an den Angeschossenen mit einem Fahrzeug nicht heran, der Rest musste zu Fuß zurückgelegt werden. Das zweite Boot, ein Doppelzweier ohne Steuermann, hatte hinter ihnen festgemacht.
    Die Situation hatte etwas Unwirkliches. Vorhin waren sie noch alle gut gelaunt gewesen. Diese drei, vier Tage Rudern sparten sie von ihrem Jahresurlaub. Die Boote hatten sie in Emden geliehen, waren von dort nach Greetsiel gerudert, später weiter an das Große Meer. Am heutigen Tag wollten sie an den Ausgangspunkt zurückkehren. Sie waren wegen des guten Wetters früh gestartet; eine Kiste Bier im Heck verstaut. Und jetzt …
    Dietmar Stöwers lag im Gras. Die Wunde schien noch immer zu bluten, das T-Shirt war tiefrot. Er atmete in einer Weise, die einem Angst und Bange machen konnte. Noch hatte er die Situation nicht begriffen und schnell hob und senkte sich seine Brust. Die Kameraden redeten ihm beruhigend zu, während Harm Wientjes und Gernot Jande darüber spekulierten, ob nicht ein weiterer Schuss fallen könnte.
    »Mann, haltet mal die Gosch!«, rief Steuermann Kromminga ihnen zu. »Das hilft Dietmar und uns allen nun gar nicht, wenn ihr über so etwas redet!«
    »Wieso? Ist schließlich nicht unmöglich!«, rief Wientjes. »Vielleicht sollten wir uns irgendwie schützen!«
    »Mann, wie du jetzt reden kannst! Und was, bitte, sollen wir tun? Erst mal eine Mauer ziehen? Blödsinn. Außerdem kamen die Schüsse aus dem Schilf, jetzt sind wir ein gutes Stückchen weiter, da vorn beginnen die Meerbuden. Hier wird wohl keiner einfach herumballern. Der Arzt ist unterwegs, die Polizei wird sicher bald hier sein. Wahrscheinlich war das alles ein Versehen, ein blöder Zufall, ein Irrtum, was weiß denn ich«, sagte Kromminga und klopfte Stöwers freundschaftlich auf die Schulter. Der sah ihn nur mit großen, verstörten Augen an.
    »Ist ja gut, ist ja gut. Ich meine ja nur …«, raunte Wientjes und machte sich daran, den Vierer vernünftig zu befestigen, sie hatten bislang lediglich die Steuerleine um ein paar Zweige eines Busches gebunden, damit das Boot nicht herrenlos Richtung Kanalmitte trieb.
    »Wo bleibt denn der Arzt, verdammt noch mal?«, fragte Gernot Jande. Er ruderte bereits seit langer Zeit, hatte früher als Schlagmann im Vierer gesessen. In ihren starken Jahren hatten sie so manchen Regattasieg nach Hause gebracht. Als Ruderer kam man selbst als Schüler weit herum. Während die Fußballer nur ins nächste oder übernächste Nachbardorf fuhren, um ein Spiel zu absolvieren, kamen sie hingegen nach Leer, Bremen, Hamburg, Berlin, Heidelberg oder ins Ruhrgebiet, nach Bochum-Witten, Duisburg, Herdecke und in andere Städte. Kleinere Regatten, die mittlerweile starke Teilnehmerzahlen erreichten, fanden dort statt, wo es eine geeignete Strecke und engagierte Leute gab, die halfen, solche Ereignisse zu organisieren. Otterndorf, Kleve, Bad Segeberg, Schwerin oder Kurzstreckenregatten wie in Wilhelmshaven und viele andere Städte warben jährlich um Ruderer aus der ganzen Bundesrepublik und darüber hinaus. Er hatte es als Schüler bis zum Bundesentscheid gebracht, im Doppelvierer ohne Steuermann, München, Olympiastrecke. Dort hatten sie es vermasselt, wie er jedem erzählte, der es wissen wollte. Immerhin hatte es damals für den Endlauf und den fünften Platz gereicht. Das war doch was, fünftbester der ganzen Republik. Und wenn der Schlagmann, ausgerechnet der Schlagmann, nicht einen Krebs gefangen hätte, ja dann … Immer wurde er gefragt, wie man denn bitte während des Ruderns einen Krebs fangen könne, woraufhin er erläuterte, dass dieser Ausdruck den Vorgang beschrieb, wenn ein Skull nicht mit der richtigen Neigung

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