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Bugschuß

Bugschuß

Titel: Bugschuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hardy Pundt
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weiter!«, sagte der Taxifahrer kleinlaut.
    »Geht es doch. Los jetzt!« Meinertz führte den Lauf der Pistole ganz nah an den Hals, berührte die Halsschlagader des Taxifahrers, die angeschwollen war und pochte. Meinertz bemerkte das. Der hier, ein Unschuldiger, hat die Hosen voll, bis obenhin, und Stöwers saß womöglich, falls sein Schuss nicht doch getroffen haben sollte, irgendwo und trank Tee? Das ergab keinen Sinn mehr. Meinertz zweifelte für einen Augenblick.
    Ein kleines Stück fuhr das Taxi auf dem gepflasterten Weg weiter, bis der Fahrer an einer Art Wendeplatz hielt. Hier trafen sich zwei Deiche, der neue Seedeich bog Richtung Nordost ab, der alte Schlafdeich, auf dem der gepflasterte Weg entlangführte, grenzte einen kleinen Polder ab, der im Sommer als fruchtbares Ackerland genutzt wurde.
    »Hier ist Ende. Endgültig«, meinte der Taxifahrer und fügte an: »Bitte!« Aus dem coolen Typen war ein Häufchen Elend geworden. Sein Fahrgast, wenn die Bezeichnung überhaupt zutraf, saß mit weit aufgerissenen Augen da und starrte auf das Deichvorland. Er sagte nichts, stierte geradeaus. Die Pistole hielt er nach wie vor an den Hals des Taxifahrers. Der zitterte und mochte in Meinertz einen Wahnsinnigen vermuten. Bloß nichts falsch machen jetzt! Doch wer wusste bei einem Wahnsinnigen, was falsch und was richtig war?
    ›Hier ist Ende!‹ gingen Meinertz die Worte des Taxifahrers durch den Kopf, und: ›Endgültig!‹
    Unerträgliche Sekunden rannen dahin. Meinertz schien krampfhaft nachzudenken. Zurück würde heißen, der Polizei in die offenen Arme zu fahren, vielleicht nicht sofort, aber es war nur eine Frage der Zeit. Also hierbleiben?
    Der Taxifahrer schwitzte. Er sagte nichts, vielleicht hätte dieser Irre das als Provokation aufgefasst. Wenn der abdrückte … Er hatte eine wundervolle Nacht mit seiner Freundin verbracht, sie hatten in Ruhe gefrühstückt und darüber nachgedacht, demnächst einmal an die kroatische Küste, in die Provence, an die Costa Brava oder nach Sardinien zu fliegen. Dann hatte er sie geküsst, war in sein Taxi gestiegen, Beginn der Tagesschicht: ›Bis heute Abend, mein Schatz.‹
    Richtung Norden sah man die unendliche Weite des Wattenmeers und die Insel Norderney. Juist und Baltrum konnte man erahnen. Richtung Westen, in der Ferne, Norddeich. Die Fähren zu den Inseln fuhren hin und her. Nach Osten war die Deichlinie bis zum Horizont zu verfolgen, Richtung Süden sah man endloses Marschland, friedliche Bauernhöfe, unzählige Windräder drehten sich unentwegt. Und er saß, eine Pistole am Hals, in seinem Taxi und hatte einen Gangster neben sich, dem er alles zutraute. Auf einem gottverlassenen Deich. Mach’ bloß keinen Scheiß!, hätte er ihm gerne gesagt, tat es aber nicht. Er wagte nicht, den Typen anzusehen, der fortwährend vor sich hinstarrte. Wenn der abdrückte …
    »Ich steige jetzt aus!«, sagte Meinertz unvermittelt, als spräche er mit sich selbst.
    Der Fahrer nahm es zur Kenntnis. Was mochte das heißen? Jagt er mir vorher eine Kugel in den Kopf?
    »Glotz nicht stumpf aus dem Fenster!«, schrie Meinertz. »Ich steige jetzt aus. Und du … du siehst zu, dass du Land gewinnst. Basta!« Meinertz öffnete die Wagentür, stieg aus, nicht ohne fortwährend die Waffe in Richtung des Taxisfahrers zu halten.
    Land gewinnen? Meinte der das ernst?
    »Na los, hau ab! Ich sage das nicht noch einmal!« Meinertz nahm ihn ein letztes Mal ins Visier.
    Der Taxifahrer legte, als Meinertz ausgestiegen war, vorsichtig den Rückwärtsgang ein. Wendete, dabei in Rück- und Seitenspiegel ständig das Bild seines unheimlichen Fahrgastes suchend. Der hielt unverwandt die Waffe auf ihn gerichtet.
    Als der Fahrer seinen Wagen gewendet hatte, legte er den ersten Gang ein. In diesem Moment schlug Meinertz mit voller Wucht auf die Heckklappe. Der Fahrer erstarrte, schloss kurz die Augen. Lass mich abhauen, bitte! Lass mich abhauen …
    »Verpiss dich! Hau endlich ab!«, schrie Meinertz. Der Taxifahrer versuchte, seine Verkrampfung zu lösen. Langsam fuhr er an, wurde schneller. Dann entfernte er sich, so schnell es die kleine Deichstraße zuließ. Bei der scharfen Rechtskurve am Deichfuß wäre er fast ins Schleudern geraten.
    Stille.
    Meinertz war allein. Er sog die klare Luft ein. Die Ruhe war vollkommen. Kaum ein Lüftchen regte sich. Er sah in Richtung der Inseln, über die weite, glitzernde Wasserfläche. Langsam ging er los. Den Deich an der Wasserseite herunter, bis zum Deichfuß.

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