Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
Vom Netzwerk:
sagte sie, als wir umarmt von unserem Tisch wegwanderten, der für uns genauso wie sein Bruder in der grünen Bar zum Freund geworden war.
     

Als wir in den Raum eintraten, lag er schon zur Gänze im Dunkel und blühte nur an einigen Punkten, in denen sich die Kerzen an den Goldmosaiken der Decke spiegelten.
    Wir gingen langsam in die Mitte und blickten nach oben. Man konnte keine Grenze mehr sehen zwischen den Schatten und der Wölbung, und die Zeit, die sich dort oben im Lauf der Jahrhunderte verfangen hatte, tropfte als sprachlose Phantasie der Vergangenheit in unser Denken.
    »Ich möchte gerne eine Kerze anzünden« - sagte sie nach einer Weile, und so gingen wir zu einem dieser alten eisernen Kerzenständer, in denen schon viele Hoffnungen eine Flamme lang zum Himmel geschickt worden waren.
    Ich steckte die auf einem kleinen Schild verlangten Lire in den Büchsenschlitz und nahm dann zwei dieser morgenländisch dünnen, langen, gelben Kerzen heraus und gab eine davon Maria. Nach einer kurzen Überlegung hielten wir gleichzeitig unsere Dochte in eine schon erlöschende Flamme auf dem Ständer und schenkten ihr auf diese Weise ein zweifach verlängertes Leben.
    Wir befestigten unsere Lichter nebeneinander und sahen ihnen eine Weile zu, wie sie sich aneinander gewöhnten und unter neugierigem Knistern in die Höhe flackerten.
    »Gehen wir« - sagte Maria dann, und nachdem wir uns von unseren brennenden Boten verabschiedet hatten, zogen wir wieder langsam zum Portal und traten hinaus.
    In dieser Zeit war es Nacht geworden, und der Platz lag, von seinen Lampen beleuchtet, wie ein Festsaal vor uns. Die Melodien der Kapellen waren noch etwas altmodischer geworden, und alle, die das nicht würdigen können, waren schon lange auf dem Weg über die Alpen.
    »Hast du dir etwas gewünscht?« - fragte sie und umarmte mich im Weitergehen so sanft, als hätten wir schon eine Geschichte von zweihundert Jahren hinter uns.
    »Oh ja - das habe ich.«
    »Und was?«
    »Oh - das darf man ja nicht sagen, damit es auch wirklich in Erfüllung gehen kann.«
    »Ah ja, richtig.«
    Sie lachte und küßte mich auf den Hals, und das hatte schon ein bißchen mit meinem Wunsch zu tun, wenn ich ehrlich bin, aber ich respektiere seine Scheu und erzähle nicht einmal mir selbst allzu oft, was ich vom gütigen Schicksal erbeten hatte.
    Wenn dann tatsächlich das eintrifft, was man erhofft hat, ist man immer geneigt zu denken, der Wunsch habe dem Zufall eine kleine Menta spendiert, um ihn zu bestechen. Aber bei Licht betrachtet, ist es doch eher so, daß das Kismet manchmal den Menschen in einer Bitte ahnen läßt, was auf ihn an Schönheit zukommen wird, und als Draufgabe läßt es ihm auch noch den Glauben, er habe dieses Glück selbst vom
    Baum der Möglichkeiten gepflückt, indem er eine Kerze angezündet und »bitte« gesagt hat.
    Vielleicht sind aber auch beide Versionen falsch und gehören nur zu verschiedenen Märchen, die die Erwachsenen einander erzählen, um nicht das Gefühl zu bekommen, die Übersicht über die Schöpfung sei gar nicht ihre Aufgabe.
    Ich weiß das alles nicht so genau, und wenn ich mich frage, warum er das alles so sein läßt, wie es ist, denke ich mir oft - weil es ihm Spaß macht - und das ist auch der einzige Grund, der mir einleuchtet.
    Der Tempel mit unserem heidnischen Ritual blieb langsam hinter uns zurück, und die Frage, wie das mit den Wünschen wirklich ist, wird sich eines Tages selbst erledigen, da es nur zwei Möglichkeiten gibt - sie werden erfüllt, oder sie werden nicht erfüllt - und bis dahin sollte man seine Wachsamkeit wieder auf die Straße richten und aufpassen - sonst wird man nämlich von einem Lastwagen niedergefahren, und das ist ein etwas grober Hinweis darauf, daß man immer dort sein sollte, wo man gerade ist.
    »Dasein genügt«, dachte ich mir, während ich mit Maria durch die schläfrigen Gassen schlenderte und glücklich bemerkte, wie weit wir schon in der Schule des Zeithabens vorangekommen waren.
    Es ist eine ganz einfache Übung, und sie geht so: Man läßt sich für alles, was man tut, eine einzige Minute mehr Zeit und lebt als Belohnung für diese angeblich verschwendeten Zeittröpfchen mindestens siebzehn Jahre länger glücklich, heiter und zufrieden.
    Ich weiß schon, warum diese einfachen Botschaften immer unter den Teppich gekehrt werden - die Zeit, die für die Abendnachrichten im Fernsehprogramm vorgesehen ist, würde nicht gefüllt werden können, wenn ein Kommentator

Weitere Kostenlose Bücher