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Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
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Glocke vom Christkind geläutet wird, durch das Schlüsselloch gesehen hat.
    »Ja - also wie gesagt - mit diesem wunderbaren Mann lebe ich seit mittlerweile drei Jahren zusammen -«
    Ich versuchte den Fächer der Verliebtheit, mit dem wir uns gegenseitig Linderung zufächelten, mit einigen klaren Sätzen wieder zusammenzufalten, weil ich noch nicht in ihrem schwebenden Duft ertrinken wollte, den ich immer deutlicher wahrnahm.
    Es waren Rosen, Rosen und noch ein seltener Duft, den ich einmal in Capri über einem Abend liegen gesehen hatte. Ich werde dahinterkommen - dachte ich -und hatte es in derselben Sekunde: »Bougainvillea ...« Es war der unwahrscheinliche langsame Duft von dunkelblau-violetten Bougainvilleablüten, der sich mit dem hellen, weichen Klang von dunkelrosafarbenen Buschrosen vermischte. Ausgerechnet »Bougainvillea« - dieser »Sesam öffne dich«-Zauber-duft, der alles etwas verlangsamt, was in seinen Bannkreis gerät - die Bewegungen, das Lachen, die kleinen Reste von Gedanken, alles wird etwas langsamer und weicher und zärtlicher. Dieser pulsierende Geruch ist Opium, das nicht einschläfert - eine Glut, die das Gesicht nicht verbrennt, und ein Kuß auf die Lippen, der fast nicht berührt.
    Mein Gott - warum mußte sie genauso duften und noch dazu mit diesen Wildrosen als Akzent, die dem Ganzen einen Kreislaufschub hinzufügten, so wie türkischer Mokka zu einem entspannenden Armagnac, der zwanzig Jahre lang in dunklen Kellern gelagert hatte und auf diese Weise zur flüssig gewordenen Silbe »Om« geworden war, die alle Fragen der Welt verflüchtigt.
    Ich tat kurz so, als müßte ich mir meinen Schuh zubinden, um etwas von der neutralen venezianischen Alltagsluft atmen zu können, die unter unserem Tisch in Restspuren noch vorhanden war - kurz darauf konnte ich sie wieder ansehen, ohne ihr sofort den Heiratsantrag machen zu müssen, den ich mir für morgen aufheben wollte.
    Verflucht - das mit dem Opium sollte man einmal überprüfen - irgend etwas muß an diesen Bougainvillea dran sein, das hörig macht, sonst würde die Sonne bei Capri nicht so derart übererrötend ins Meer sinken, und meine Gedanken würden nicht ebenso purpurrot pulsierend nur darum kreisen, wie ich es anstellen sollte, mit dieser Frau auch in der nächsten Reinkarnation wieder zusammenzutreffen.
    »Und seit einer Woche habt ihr jetzt also einen Neuzugang in eurer Klause«, sagte eine Stimme aus dem botanischen Garten, der mir da gegenübersaß und mit diesen Worten wieder die bekannten Umrisse von Maria annahm -
    Ich war erleichtert, mich wieder auf den Boden gesicherter Erinnerungen setzen zu können, und nahm ihr Stichwort dankbar entgegen.
    »Ja« - sagte ich - »der Tag vor einer Woche scheint von magischer Qualität gewesen zu sein - Peter kracht aus allen Fugen, wir zwei treffen uns am >Little Big Horn<, und Stefan bricht aus sämtlichen Domestizierungsversuchen aus wie ein Atomkraftwerk, bei dem die Bremse nicht mehr funktioniert -«
    »Was?«
    »Na ja - er hat gekündigt!«
    »Bitte?«
    »Ich habe es eigentlich schon längere Zeit erwartet -aber an diesem Abend war das Töpfchen mit Milch genau um eine Sekunde zu lang auf dem Feuer. Also -es war so: Ich sitze mit Peter bei der dritten Flasche Rotwein am Boden und blicke so mir nichts - dir nichts zur Türe, da kommt völlig unerwartet und eine Stunde zu früh Stefan durch eben diese Türe geschossen - geht wortlos in die Küche - holt sich wortlos eine vierte Flasche Rotwein - setzt sich zu uns auf den Boden - trinkt wortlos die Flasche bis zur Hälfte in einem Zug aus - nimmt sich den schwarzen Schnurrbart vom Gesicht und sagt: >Sie haben gehustet -<„
    »Welchen schwarzen Schnurrbart?!«
    »Er hat sich nicht abgeschminkt gehabt und ist in voller Maske bei uns aufgetaucht - direkt von der Bühne im Theater weg zu uns, ohne sich umzuziehen!«
    »Aha - und?!«
    »Na ja - es hat ihm gereicht, und er hat einen Monolog auf der Bühne gehalten, der nicht im Text gestanden ist -«
    »Nein -«
    »Doch -«
    »Und?«
    »Er hat gesagt: >Meine sehr verehrten Damen und Herren, es tut mir leid, wenn wir Sie langweilen - es tut mir leid, daß Sie Ihr verfluchtes Abonnement ausgerechnet heute abend zwingt, hier zu sitzen, anstatt daheim weiterzuschlafen. Ich habe heute seit fünfzehn Uhr nichts mehr gegessen, um meine Sinne zu schärfen, ich habe meine Stimme gepflegt und eine Stunde lang Atemübungen gemacht, um voll und ganz für Sie dazusein - aber Ihr Husten zeigt mir, daß

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