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Byrne & Balzano 3: Lunatic

Titel: Byrne & Balzano 3: Lunatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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die große Halle. Moon trägt die tote Frau zum Fenster. Sie ist schwer in seinen Armen. Er legt sie auf das steinerne Fensterbrett und küsst ihre kalten Lippen.
    Während Moon seiner Beschäftigung nachgeht, singt die Nachtigall und beklagt sich über die Kälte.
    Ich weiß, kleiner Vogel, denkt Moon.
    Ich weiß.
    Moon hat schon eine Idee. Bald wird er den Schneemann hierher bringen, und dann wird der Winter für immer verbannt sein.

38.
    » I ch fahre heute noch in die Stadt«, sagte Padraig. »Ich muss bei Macy’s vorbei.«
    »Was brauchst du denn?«, fragte Byrne. Er telefonierte über Handy mit seinem Vater und war keine fünf Blocks von dem Geschäft entfernt. Er hatte Bereitschaft, aber sein Dienst war mittags zu Ende gewesen. Sie hatten den Anruf von der Kriminaltechnik bekommen; die Kollegen hatten die am Fundort in der Flat Rock Road benutzte Farbe untersucht: Es war normale Schiffsfarbe, wie man sie überall kaufen konnte. Das an die Wand gemalte Bild des Mondes hatte – auch wenn es eine wichtige Spur war – zu nichts geführt. Bis jetzt.
    »Ich kann dir besorgen, was du brauchst, Dad«, sagte Byrne.
    »Ich habe keine Scruffing Lotion mehr.«
    Mein Gott, dachte Byrne. Scruffing Lotion. Sein Vater war Ende sechzig, robust wie eine Eiche, und durchlebte jetzt eine Phase zügellosen Narzissmus.
    Seit letztem Jahr Weihnachten, als Byrnes Tochter Colleen ihrem Großvater eine Gesichtspflege-Serie von Clinique geschenkt hatte, war Padraig Byrne von Hautpflege besessen. Als Colleen ihm eines Tages auf einen Zettel schrieb, seine Haut sähe großartig aus, war es endgültig um Padraig geschehen: Von diesem Augenblick an war die Hauptpflege zur Manie geworden, zu einer Orgie der Eitelkeit eines Mannes in den Sechzigern.
    »Das kann ich dir besorgen«, sagte Byrne. »Darum musst du nicht extra in die Stadt fahren.«
    »Das macht mir nichts aus. Ich wollte mal sehen, was sie sonst noch haben. Ich glaube, es gibt eine neue M-Lotion.«
    Kaum zu glauben, dass er mit Padraig Byrne sprach. Derselbe Padraig Byrne, der fast vierzig Jahre lang als Hafenarbeiter geschuftet hatte, ein Mann, der es einst mit einem halben Dutzend betrunkener Italiener aufgenommen hatte, und das nur mit den Fäusten und dem Bauch voller Lager.
    »Nur weil du dich nicht für deine Haut interessierst, heißt das noch lange nicht, dass ich im Herbst meines Lebens aussehen muss wie eine Eidechse«, sagte Padraig.
    Herbst?, dachte Byrne. Er betrachtete sein Gesicht im Innenspiegel. Vielleicht könnte er seine Haut wirklich ein bisschen mehr pflegen. Andererseits gab es einen bestimmten Grund, weshalb Byrne seinem Vater anbot, ihm das Gewünschte zu besorgen: Er wollte nicht, dass Padraig bei dem Schnee durch die Stadt fuhr. Wenn es um seinen Vater ging, war Byrne überängstlich, doch er konnte nichts dagegen tun. Sein Schweigen führte dazu, dass Padraig schließlich einlenkte. Ausnahmsweise.
    »Okay, du hast gewonnen«, sagte Padraig. »Besorg mir die Lotion. Aber ich möchte später noch ins Killian’s gehen. Ich will mich von den Jungs verabschieden.«
    »Du ziehst nicht nach Kalifornien«, sagte Byrne. »Du kannst jederzeit wieder dahin gehen.«
    In Padraigs Augen war ein Umzug in den Nordosten der Stadt jedoch gleichbedeutend mit einem Umzug in ein anderes Land. Er hatte fünf Jahre gebraucht, um diese Entscheidung zu treffen, und weitere fünf Jahre, bis er die ersten Schritte unternommen hatte.
    »Das sagst du.«
    »Okay. Ich hol dich in einer Stunde ab«, sagte Byrne.
    »Und vergiss meine Scruffing Lotion nicht. Die 200-Milliliter-Flasche ist grün.«
    Mein Gott, dachte Byrne, als er das Handy ausschaltete.
    Scruffing Lotion.
    Das Killian’s war eine typische Hafenkneipe, eine neunzig Jahre alte Institution, die tausend Schlägereien, zwei Brände und eine Abrissbirne überlebt hatte. Ganz zu schweigen von vier Generationen Hafenarbeitern.
    Die Kneipe, die in der Nähe vom Pier 84 lag, im Schatten der Walt Whitman Bridge und unweit des Delaware River, war eine Bastion der ILA, der Internationalen Vereinigung der Hafenarbeiter. Für diese Männer bedeutete der Fluss alles.
    Als Kevin und Padraig Byrne eintraten, drehten sich aller Köpfe im Killian’s zur Tür und dem eisigen Wind um, der in die Kneipe fegte.
    »Paddy!«, riefen die Männer. Byrne setzte sich an die Theke, während sein Vater seine ehemaligen Kollegen begrüßte. Die Kneipe war halb voll. Padraig war in seinem Element.
    Byrne ließ den Blick über die Truppe gleiten.

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