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Byrne & Balzano 3: Lunatic

Titel: Byrne & Balzano 3: Lunatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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Sir?«, fragte der aufmerksame Kellner.
    »Gern«, erwiderte Byrne; dabei wusste er gar nicht, was er sich da ansah. Er hatte schon zweimal der Versuchung widerstanden, sich einen Bourbon on the rocks zu bestellen. Doch er wollte heute Abend keinen zu saloppen Eindruck machen. Eine Minute später kehrte der Kellner mit der Weinkarte zurück. Byrne schaute sie sich pflichtgetreu an. Das Einzige, was er zwischen Wörtern wie Pinot , Cabernet und Vouvray registrierte, waren die Preise, und die lagen allesamt außerhalb seiner Gehaltsklasse.
    Er hielt die Weinkarte hoch, weil er annahm, dass der Kellner sich sofort auf ihn stürzen und ihn fragen würde, für welchen Wein er sich entschieden habe, sobald er die Karte auf den Tisch legte. Dann sah er sie. Sie trug ein königsblaues Kleid, das ihre aquamarinblauen Augen unglaublich zur Geltung brachte. Ihr Haar umspielte ihre Schultern. Es war länger, als er es in Erinnerung hatte, und dunkler als im Sommer.
    Meine Güte, dachte Byrne. Sie ist eine Frau. Sie ist eine Frau geworden, und ich habe es nicht bemerkt.
    »Ich bin zu spät. Es tut mir leid«, sagte sie in der Gebärdensprache, ehe sie den halben Raum durchquert hatte. Die Gäste starrten sie an – aus verschiedenen Gründen: wegen der Gebärdensprache, ihrer Haltung, ihrer Grazie, ihrem hübschen Aussehen.
    Colleen Siobhan Byrne war von Geburt an gehörlos. Erst seit wenigen Jahren kamen sie und ihr Vater gut mit ihrer Gehörlosigkeit zurecht. Colleen hatte sie nie als Behinderung betrachtet, im Unterschied zu ihrem Vater, der Colleens Taubheit stets als gesundheitlichen Defekt gesehen hatte – und vermutlich noch immer so sah, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Doch allmählich schwanden seine Berührungsängste.
    Byrne stand auf und drückte seine Tochter fest an seine Brust.
    »Frohe Weihnachten, Dad«, bedeutete sie ihm.
    »Frohe Weihnachten, mein Schatz«, erwiderte Byrne ebenfalls in der Gebärdensprache.
    »Ich habe kein Taxi bekommen.«
    Byrne winkte ab, als wollte er sagen: Meinst du etwa, ich hätte mir Sorgen gemacht?
    Sie setzten sich. Wenige Sekunden später meldete sich Colleens Handy per Vibrationsalarm. Sie grinste ihren Vater schüchtern an, zog das Handy heraus und klappte es auf. Es war eine SMS. Byrne sah ihr zu, als sie die Nachricht las, wobei sie lächelte und errötete. Die SMS war mit Sicherheit von einem jungen Mann. Colleen tippte mit flinken Fingern eine Antwort ein, schickte die SMS ab und steckte das Handy wieder weg.
    »Verzeihung«, bedeutete sie Byrne.
    Byrne hätte Colleen gerne eine Million Fragen gestellt, hielt sich aber zurück. Er sah, wie sie sich die Serviette ordentlich auf den Schoß legte, einen Schluck Wasser trank und die Speisekarte studierte. Sie sah aus wie eine Frau, und sie verhielt sich wie eine Frau. Das konnte nur einen Grund haben, dachte Byrne, dem das Herz schwer wurde: Ihre Kindheit war zu Ende.
    Und das Leben würde nie mehr dasselbe sein.
    Nach dem Essen kam der gefürchtete Augenblick. Sie wussten es beide. Colleen, voller jugendlichem Schwung, würde vermutlich eine Weihnachtsparty bei Freunden besuchen. Außerdem musste sie noch packen, denn sie fuhr mit ihrer Mutter eine Woche zu deren Verwandten, wo sie auch Silvester feiern würde.
    »Hast du meine Karte bekommen?«, fragte Colleen.
    »Ja. Danke.«
    Byrne schimpfte im Stillen mit sich, weil er keine Weihnachtskarten verschickt hatte, vor allem nicht an die eine Person, die unbedingt Weihnachtsgrüße hätte bekommen müssen. Er hatte sogar von Jessica eine Karte bekommen. Sie hatte sie heimlich in seine Brieftasche gesteckt. Byrne sah, dass Colleen verstohlen auf die Uhr schaute. Ehe es unangenehm wurde, erkundigte sich Byrne: »Darf ich dich etwas fragen?«
    »Sicher.«
    Byrne wurde es mulmig zumute. »Was hast du für Träume?«
    Colleen errötete, schaute ihn verwirrt an und schien die Frage dann zu akzeptieren. Zumindest verdrehte sie nicht die Augen. »Soll das eines von diesen Gesprächen werden?«
    Sie lächelte, und Byrnes Herz setzte einen Schlag aus. Colleen hatte keine Zeit, mit ihm zu reden. Vermutlich würde sie auch in den nächsten Jahren keine Zeit dazu haben. »Nein«, sagte er und spürte, dass seine Ohren warm wurden. »Es hätte mich nur interessiert.«
    Ein paar Minuten später verabschiedeten sie sich. Colleen gab ihm einen Kuss und versprach, sie würden sich bald sehen und könnten dann in aller Ruhe plaudern. Byrne setzte sie in ein Taxi, kehrte an den Tisch zurück

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