0061 - Kino des Schreckens
Die nackte Angst peitschte ihn voran!
Ted Summer taumelte durch die schmale Straße. Er hatte die Hände halb vors Gesicht geschlagen und sie dabei gespreizt. Schweiß sickerte durch seine Finger, seine Knie waren weich wie Pudding, und über seinen Körper jagten regelrechte Fieberschauer.
Ted Summer hatte das Grauen gesehen!
Für ihn war es jetzt noch unbegreiflich, aber die Tatsachen sprachen dafür.
Linda war weg.
Linda May, seine Freundin, seine Geliebte - sein Alles.
Man hatte sie geholt.
Schwer atmend blieb Summer stehen. Er musste einfach eine Pause einlegen, das Laufen hatte ihn zu sehr angestrengt. Schlimm quälten ihn die Seitenstiche. Seine Lungen arbeiteten wie Blasebälge.
Ted Summer stand kurz vor dem Zusammenbruch.
Wie ein Betrunkener näherte er sich torkelnd der abgeblätterten Fassade einer Hauswand und lehnte sich dagegen. Schwer rang er nach Atem. Sein Puls raste. Unnatürlich weit drangen die Augen aus den Höhlen. Das dunkle Haar klebte ihm schweißnass in der Stirn. Der Magen schien in die Kehle zu steigen und verursachte ein Würgen.
Ein Wagen fuhr durch die Straße.
Der Mann wandte den Kopf. Er schaute in das blendende Licht der beiden grellen Kreise und blickte schnell zu Boden. Er hatte nicht mehr die Kraft, sich zu verstecken. Wenn sie ihn jetzt holten, dann war es ihm egal. Er würde keinen Widerstand mehr leisten, er war gar nicht dazu in der Lage.
Der Wagen fuhr vorbei.
Summer konnte sich nicht mehr freuen. Er war zu müde.
Allmählich ebbte die Schwäche ab. Seine Kräfte kehrten zurück. Doch die Angst blieb.
Wieder dachte er an Linda, und wieder stieg das heiße Würgen in seiner Kehle hoch. Er konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten.
Zu schrecklich war alles gewesen.
Er ging weiter.
Schwerfällig wie ein alter Mann. Seine Füße schlurften über den Boden. Er schaffte es kaum noch, sie anzuheben.
»Polizei«, murmelte er, »ich muss zur Polizei…«
Aber er war nicht mehr in der Lage, diesen Gedanken auch in die Tat umzusetzen.
Und wer würde ihm glauben?
Ted schüttelte den Kopf. Nein, das musste er allein durchstehen. Ihm konnte keiner helfen. Weg aus London, hinaus aufs Land, wo er niemanden sah und wo auch keiner Fragen stellte.
Doch Linda blieb verschwunden.
Und es würden Fragen auftauchen. Und man würde ihn finden. Bestimmt sogar. War es dann nicht besser, wenn er mit den Polizisten redete? Wenn er alles sagte. Von Anfang an erzählte?
Die Begegnung mit der Polizei kam früher, als er erwartete. Er hatte in Gedanken versunken eine Straßenkreuzung erreicht und stieß plötzlich mit den beiden Bobbys zusammen.
»He, wen haben wir denn da«, sagte der Größere der beiden und hielt Ted Summer fest, bevor dieser an ihm vorbeiwischen konnte.
Summer blieb stehen.
Der Bobby hatte einen harten Griff. Er zog den Mann so zu sich heran, dass er ihn genau ansehen konnte.
Aus einer Handbreit Entfernung starrten sie sich ins Gesicht. Der Bobby war schon einige Jahre im Streifendienst tätig. Er wollte keinen anderen Posten, denn hier hatte er Kontakt mit den Menschen, erlebte immer etwas Neues und konnte sich um die großen und kleinen Probleme der Leute kümmern.
Er war zu einem Menschenkenner geworden.
Und bei Ted Summer sah er sofort, daß mit ihm etwas nicht stimmte. Dieser Mann hatte Angst.
»Bitte, Sir«, stammelte Ted, »lassen Sie mich. Ich…«
Der Bobby schüttelte den Kopf. »Nichts da, Mister. Mit Ihnen stimmt doch etwas nicht.«
»Ich – ich…«
»Also, was ist los?« Der Bobby machte seinem Kollegen ein Zeichen.
Der verstand und lief schon auf den Streifenwagen zu, der einige Schritte entfernt mit abgeblendeten Lichtern parkte. »Ich schätze, Sie haben uns einiges zu berichten.«
»Was sollte ich…?«
»Ja, ja, schon gut.« Der Polizist brachte Ted Summer zum Wagen.
Sein Kollege hatte schon die Tür aufgestoßen. »Hier redet es sich viel gemütlicher, Mister.«
Ted Summer wurde in das Fahrzeug bugsiert. Die Tür knallte ins Schloß.
»So, nun erzählen Sie mal«, lächelte der großgewachsene Bobby.
Ted holte tief Luft. »Sie ist weg«, sagte er.
»Wer ist weg?«
»Linda.«
»Okay, und wer ist Linda?«
»Meine Freundin, Sir. Ich war – nein, wir waren zusammen im Kino. In einem schrecklichen Film. Einem Horror-Schocker. ›Blutige Nächte‹ lautete der Titel.«
Ted schwieg und schluckte.
»Und dann?« fragte der Bobby und grinste. »Dann haben Sie sich bestimmt verkracht, und Ihre Freundin ist Ihnen abgehauen. Sie
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