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Byrne & Balzano 3: Lunatic

Titel: Byrne & Balzano 3: Lunatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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hier sein«, sagte Byrne.
    »In einer Stunde?«
    »Weihnachten in Philly«, sagte Byrne. »Zwei weitere Morde. Der arme Kerl hat reichlich zu tun.«
    Byrne zeigte auf die Hände des Opfers. »Sie hält irgendwas fest.«
    Jessica schaute genauer hin. Die Frau hielt tatsächlich etwas in den Händen.
    Jessica machte mehrere Nahaufnahmen. Das verstieß zwar gegen die Dienstvorschrift, aber hätte sie sich an die Vorschriften gehalten, hätten sie warten müssen, bis der Gerichtsmediziner offiziell den Tod festgestellt hatte und zahlreiche Fotos, vielleicht sogar Videos vom Opfer und dem Tatort gemacht worden waren. Aber Philadelphia verhielt sich in dieser Nacht auch nicht gerade vorschriftsmäßig, was Gebote wie »Liebe deinen Nächsten« oder »Friede auf Erden« anging. Die Detectives wussten, dass die Zeit gegen sie arbeitete. Sie konnten es sich nicht erlauben zu warten, nur um sich an irgendwelche Vorschriften zu halten: Das Risiko, wertvolle Informationen zu verlieren, wuchs mit jeder verstreichenden Minute.
    Byrne trat näher an das Opfer heran und versuchte behutsam, die Finger der Frau aufzubiegen. Die Fingerspitzen ließen sich bewegen. Die Leichenstarre hatte noch nicht vollständig eingesetzt. Das bedeutete, dass das Opfer weniger als acht Stunden tot war – für die Ermittler eine gute Nachricht.
    Auf den ersten Blick machte es den Eindruck, dass das Opfer Blätter oder Zweige in den gewölbten Händen hielt. Im grellen Licht sah es wie irgendeine dunkelbraune Substanz aus, die auf jeden Fall organischen Ursprungs war. Byrne trat näher heran, hockte sich hin und legte eine große Plastiktüte auf den Schoß der Frau. Jessica richtete ihren Lichtstrahl auf die Hände. Byrne war noch immer damit beschäftigt, die Finger der Frau aufzubiegen, einen nach dem anderen. Wenn die Frau ihre Hand während eines Kampfes in Erde oder Kompost gekrallt hatte, war es möglich, dass es sich um Material handelte, das Rückschlüsse auf den Tatort, wenn nicht sogar den Täter erlaubte. Vielleicht hielt sie sogar ein eindeutiges Beweisstück in der Hand: einen Knopf, eine Schnalle, ein Stück Stoff. Am besten wäre natürlich organisches Material: Haare, Haut oder Gewebe. Ergaben sich dabei Hinweise auf einen Verdächtigen, könnten sie sofort mit der Fahndung beginnen.
    Als Byrne schließlich vier Finger der rechten Hand aufgebogen hatte, sahen sie etwas, womit sie nicht gerechnet hatten. Die tote Frau hielt keinen Klumpen Erde, Blätter oder Zweige in der Hand, sondern einen kleinen braunen Vogel. Im grellen Licht der aufgestellten Scheinwerfer ähnelte er einem Spatz oder einem Zaunkönig.
    Behutsam drückte Byrne die Finger der Toten wieder zusammen. Sie würden eine Plastiktüte über die Hände stülpen, um alle Spuren zu sichern. Es überstieg ihre Möglichkeiten, vor Ort eine Einschätzung oder Analyse vorzunehmen.
    Dann geschah etwas völlig Unerwartetes. Der Vogel befreite sich aus der Umklammerung der toten Frau, flog davon und flatterte durch das große, dunkle Gebäude des Wasserwerks. Sein Flügelschlag hallte von den kahlen, eisigen Steinwänden wider, während das Tier aus Protest oder vor Erleichterung kreischte. Dann war es verschwunden.
    »Verdammter Mist!«, brüllte Byrne.
    Das war für das Team keine gute Nachricht. Sie hätten die Hände der Toten sofort mit einer Tüte umschließen und warten müssen. Der Vogel hätte wertvolle Hinweise liefern können. Doch ein paar Informationen blieben ihnen dennoch erhalten: Sie wussten nun, dass der Leichnam noch nicht lange dort sitzen konnte. Der Vogel hatte noch gelebt; damit stand fest, dass der Mörder sein Opfer erst vor wenigen Stunden hier in Pose gesetzt haben konnte. Vermutlich hatte die anfängliche Körperwärme der Ermordeten den Vogel bis jetzt am Leben erhalten.
    Jessica richtete die Taschenlampe auf den Boden neben dem Fenster. Dort lagen ein paar Federn des Vogels. Byrne wies einen Kollegen der Spurensicherung darauf hin. Dieser hob die Federn mit einer Pinzette auf und steckte sie in eine Tüte.
    Jetzt mussten sie auf den Gerichtmediziner warten.
    Jessica lief zum Ufer des Flusses hinunter, schaute aufs Wasser und dann auf den Leichnam. Die Gestalt saß im Fenster, hoch über der Böschung, die zur Straße hin nur leicht, zum Flussufer jedoch stärker abfiel.
    Noch eine Puppe auf einem Regal, dachte Jessica.
    Ebenso wie Kristina Jakos schaute auch dieses Opfer auf den Fluss. Und wie bei Kristina Jakos hatten sie ganz in der Nähe eine

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