Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cabal - Clive Barker.doc

Cabal - Clive Barker.doc

Titel: Cabal - Clive Barker.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Admin
Vom Netzwerk:
gehalten. Einerlei, sagte sie; sie kannte einen Ort in Peace River, wo die Farmer Rast machten und etwas aßen, bevor sie wieder zu ihren Häusern zu-rückfuhren. Dort würde er jemanden finden, der ihn mitnahm, wohin er wollte.
    Verwandte dort? fragte sie. Er sagte, daß es so war.
    Als der letzte seiner Mitfahrer ihn etwa eine Meile von Dwyer entfernt absetzte, war es kurz vor Einbruch der Dämmerung. Er sah dem Lieferwagen nach, der einen Schotterweg entlang ins tiefe Blau hineinfuhr, dann begann er, die kurze Strecke bis zur Stadt zu Fuß zurückzule -
    gen. Eine Nacht schlechten Schlafs und die Fahrten mit Farmfahrzeugen auf Straßen, die schon bessere Zeiten gesehen hatten, hatten seiner ohnedies angeschlagenen Physis weiteren Tribut abverlangt. Er brauchte etwa eine Stunde, bis er den Stadtrand von Dwyer erreicht hatte, und da war es schon völlig Nacht. Das Schicksal war wieder auf seiner Seite. Ohne die Dunkelheit hätte er 42

    vielleicht die Blinklichter vor ihm gar nicht gesehen; die nicht willkommen hießen, sondern warnten.
    Die Polizei war vor ihm hier; drei oder vier Wagen, schätzte er. Es war möglich, daß sie jemand ganz anderes verfolgten, aber das bezweifelte er. Vielleic ht hatte der selbstvergessene Narcisse dem Gesetz das erzählt, was er Boone erzählt hatte. In dem Fall war dies ein Empfangsko-mitee. Sie suchten vielleicht schon von Haus zu Haus nach ihm. Und wenn hier, dann auch in Shere Neck. Er wurde erwartet.
    Er war dankbar für den Schutz der Nacht, als er vom Weg herunter in ein Rapsfeld ging, wo er sich hinlegen und seinen nächsten Schritt planen konnte. Der Versuch, nach Dwyer zu gehen, wäre sicherlich nicht klug. Es wäre besser, er machte sich sofort auf den Weg nach Midian, achtete nicht auf Hunger und Müdigkeit und vertraute darauf, daß die Sterne und sein Instinkt ihm die Richtung zeigten.
    Als er aufstand, roch er nach Erde, und so machte er sich in, wie er schätzte, nördliche Richtung auf. Er wußte genau, mit derart schlechten Orientierungsmöglichkeiten konnte er sein Ziel um Meilen verfehlen, oder es eben-sogut einfach in der Dunkelheit übersehen. Wie auch immer; er hatte keine andere Wahl, und das war eine Art Trost für ihn.
    In seiner fünf Minuten währenden Diebeszeit hatte er keine Uhr finden können, daher vermittelte ihm nur die langsame Wanderung des Sternenhimmels über ihm ein Zeitgefühl. Die Luft wurde kalt, dann bitter kalt, aber er behielt sein schmerzhaftes Tempo bei und mied die Stra-
    ßen, soweit er konnte, obwohl er darauf leichter gehen konnte als auf dem gepflügten und eingesäten Boden.
    Diese Vorsichtsmaßnahme erwies sich einmal als durchaus begründet, als eine schwarze Limousine zwischen 43

    zwei Polizeiautos fast lautlos eine Straße entlangfuhr, die er vor wenigen Minuten überquert hatte. Er hatte nicht den geringsten Beweis für das Gefühl, das ihn überkam, als die Autos vorbeifuhren, aber er spürte mehr als heftig, daß der Passagier der Limousine Decker war, der gute Doktor, der immer noch auf der Suc he nach dem Verstehen war.
    4
    Dann aus dem Nichts: Midian. Eben noch war die Nacht vor ihm konturlose Dunkelheit, im nächsten Augenblick befand sich eine Gruppe von Gebäuden am Horizont, deren gestrichene Wände graublau im Sternenlicht schim-merten. Boone stand mehrere Minuten da und studierte die Szenerie. Hinter keinem Fenster, auf keiner Veranda brannte ein Licht. Inzwischen war es sicherlich lange nach Mitternacht, und die Männer und Frauen der Stadt, die am folgenden Morgen aufstehen und arbeiten mußten, würden im Bett liegen. Aber kein einziges Licht? Das erschien ihm seltsam. So klein Midian sein mochte – von Kartographen und Schildermalern gleichermaßen vergessen –, gab es nicht einen einzigen Schlaflosen? Oder ein Kind, das den Trost einer Lampe brauchte, die die nächtlichen Stunden erhellte? Wahrscheinlicher war, daß sie auf ihn warteten – Decker und das Gesetz – , in den Schatten verborgen, bis er dumm genug war, in die Falle zu tappen. Die einfachste Lösung wäre, auf der Stelle kehrt-zumachen und sie ihrer Nachtwache zu überlassen, aber er hatte kaum noch Energie übrig. Wenn er jetzt um-kehrte, wie lange würde er warten müssen, bis er eine Rückkehr

    44

    riskieren konnte; und jede Stunde würde die Wahrschein-lichkeit einer Entdeckung oder der letzten Ruhe wahrscheinlicher machen.
    Er beschloß, den Stadtrand abzuschreiten und sich ein Gefühl für die Beschaffenheit des Geländes zu

Weitere Kostenlose Bücher